Die zehn wichtigsten Fragen und Antworten
Manchen Eltern schwant früh, dass ihre Kinder besonders schnell lernen. Sie fragen sich dann: Sollen wir unser Kind testen lassen? Wenn die Kinder noch sehr jung sind, schließt sich meist die Frage an, ab welchem Alter eine Testung sinnvoll bzw. möglich sei. Und dann ist man schnell bei weiteren Fragen: Sollte man den Test irgendwann wiederholen? Sollten auch die Geschwisterkinder getestet werden? Bei wem sollten wir testen lassen? Was kostet das?
Deshalb hier Antworten zu den zehn häufigsten Fragen im Zusammenhang mit Tests. Als Grundlage empfehle ich, meinen Text über die Frage, „Was ist Hochbegabung?“ zu lesen. Er enthält einen Überblick über wichtige Begabungsmodelle und grundlegende Infos zu IQ-Tests, die auch für die Fragen hier wichtig sind. Wer noch mehr wissen möchte, findet in den Links und Fussnoten Literaturhinweise.
1. Grundsätzlich: Test ja oder nein?
In Deutschland herrscht die Auffassung vor, dass eine Begabungsdiagnostik (zu der mehr gehört als ein reiner IQ-Test) nur sinnvoll sei, wenn bestimmte Fragen beantwortet werden sollen. In den USA dagegen gibt es den staatlichen Anspruch, möglichst viele hochbegabte Kinder zu erkennen, um sie fördern zu können. Deshalb gibt es dort vielerorts Gruppentests an Schulen mit dem Zweck des „screenings“, um begabte Kinder systematisch zu finden.
Wenn man sich vor Augen hält, wie IQ-Tests konstruiert sind und dass sie unterschiedliche Ziele verfolgen, dann ist der „deutsche Ansatz“ nachvollziehbar. Allerdings – und das ist die Kritik an dieser Haltung – muss irgendjemand dann auch einen Verdacht entwickeln, dass ein Kind sehr begabt sein könnte. Das passiert erfahrungsgemäß in bildungsfernen Haushalten eher selten und bei Mädchen noch seltener als bei Jungs1. Außerdem gibt es Studien, die nachweisen, dass weder Eltern noch ErzieherInnen oder LehrerInnen zuverlässig Hochbegabung in Kindern erkennen können2. Tests sind deshalb sinnvoll.
Auch wir selbst hatten nie den Verdacht, dass unsere Kinder hochbegabt sein könnten. Wenn wir nicht zufällig aufgrund von Schwierigkeiten mit unserer Zweitältesten bei einer Psychologin mit Erfahrung auf diesem Gebiet gelandet wären…wir wüssten es vielleicht bis heute nicht. Wir hätten ohne dieses Wissen vielleicht vieles falsch eingeordnet und unseren Kindern weniger Chancen eröffnet. Kurz: Uns hat die Testung geholfen, unsere Kinder besser zu verstehen.
2. Welche Fragen können – nach „klassischem“ deutschem Verständnis – einer Testung zugrunde liegen?
Zum Beispiel diese:
- Soll unser Kind vorzeitig eingeschult werden oder direkt in die zweite Klasse?
- Ist unser Kind in der Schule über- oder unterfordert? Könnte das der Grund für Verhaltensauffälligkeiten oder Depressionen/Ängste sein?
- Ist unser Kind autistisch?
- Hat unser Kind AD(H)S?
- Hat unser Kind eine Lernschwierigkeit wie Dyskalkulie oder eine Lese-Rechtschreibschwäche?
- Welche Art von Fördermaßnahme würde unserem von der Schule gelangweilten Kind am meisten helfen (Schnelllernerklasse, Hochbegabten-Internat, Drehtürmodell, Klasse überspringen, Lernen lernen, Konzentrationstraining, soziales Training…)?
- Wo liegen die Stärken und Schwächen unseres Kindes beim Lernen? (Bestimmte IQ-Tests zielen darauf ab, ein Begabungsprofil zu erkennen.)
- Warum erleben wir im Alltag mit unserem Kind immer wieder Schwierigkeiten: z.B. fühlt sich das Kind einsam, baut kaum Freundschaften auf, ist ängstlich, ist nicht in der Lage sein Wissen zu zeigen, verhält sich in Kita/Schule ganz anders als zuhause…
- Beim Geschwisterkind ist eine hohe Begabung festgestellt worden, das/die weitere/n Kind/er zeigen andere Interessensschwerpunkte und Verhaltensweisen: Könnten ggf. vorhandene (andere) Probleme bei ihnen auch an einer Hochbegabung und damit zB einhergehenden Unterforderung in der Schule liegen? In welchen Bereichen bräuchten sie stärkere Unterstützung?
- Unser Kind kommt uns clever vor, hat aber miserable Noten in der Schule, geht nicht gern dort hin und sagt, es langweile sich im Unterricht.
Häufig hängen auch die Teilnahme an Fördermaßnahmen und der Wille von Schulen oder Kindergärten, Kindern zusätzliche Förderungen zukommen zu lassen, an einer Testung. Das wird zwar von einigen Psychologen nicht als ausreichende Begründung betrachtet, aus Elternsicht ist das aber durchaus eine nachvollziehbare Begründung, finde ich. Denn viele Förderungen kann man seinen Kindern als Eltern einfach nicht selbst bieten: Aus Mangel an Kenntnissen (ich habe z.B. keine Ahnung von Programmierung und sämtlichen Naturwissenschaften sowie Musik) oder aus Zeitmangel (ich habe noch drei andere Kinder, einen Hund und einen Job) oder weil man nicht die Räume oder Materialien oder das Geld dafür hat. Insofern finde ich, dass es durchaus in Ordnung ist, auch „nur“ wegen dieser Möglichkeiten eine Testung durchführen zu lassen.
3. Ab welchem Alter ist ein Test sinnvoll/möglich?
Es gibt Tests, die man schon mit sehr junge Kinder machen kann (ab 2.5 Jahren). Aber die Frage ist, wie aussagekräftig diese sind: Je jünger die Kinder, desto eher können sich Entwicklungsvorsprünge später noch angleichen.
Die meisten PsychologInnen gehen davon aus, dass eine Testung ungefähr ab vier bis fünf Jahren sinnvoll ist3. Denn verschiedene Studien haben nachgewiesen, dass eine Hochbegabung, die in diesem Alter festgestellt wird, bei den meisten Kindern bis ins spätere Jugendalter stabil bleibt, häufig auch darüber hinaus („stabil Hochbegabte“).
4. Welcher Test ist für welche Fragestellung geeignet?
Die KARG-Stiftung führt eine Liste gängiger IQ-Tests auf ihrer Internetseite (LINK4). Dort werden die Tests beschrieben und ihre Zielrichtung erklärt. Man kann sich auch von dem/der Testerin vor der Testung erläutern lassen, warum das Kind mit genau diesem oder jenem Test getestet werden soll. Der Grund sollte jedenfalls nicht sein: „Das ist der Test, den wir in der Praxis haben/benutzen“ – was man meist eher heraushören als direkt gesagt bekommen wird: IQ-Testbatterien sind teuer, deshalb haben viele Praxen nicht sehr viele verschiedene Tests.
Das ist auch unter dem Aspekt sinnvoll, dass es zu den Tests sehr, sehr viele Regeln und Anweisungen gibt (wirklich hunderte!), die zu beachten sind, um sie aussagekräftig durchführen zu können. Es ist natürlich schwieriger, sich bei mehreren Tests gleich gut auszukennen mit diesen Bedingungen.
Wenn jedoch Fragestellung und Test nicht zueinander passen (ein Test zB eher defizitorientiert ist, aber eine Hochbegabung eruiert werden soll), dann wird auch das Ergebnis unbefriedigend ausfallen. Deshalb ist es dann unter Umständen sinnvoller, in einer anderen Praxis testen zu lassen, die den passenden Test besitzt und damit Erfahrung hat.
5. Wer macht Tests und was kann man als Ergebnis erwarten?
IQ-Tests bzw. eine umfassendere Begabungsdiagnostik werden entweder von PsychologInnen oder SozialpädagogInnen durchgeführt, sowohl in privaten als auch kassenzugelassenen Praxen als auch z.B. in „SPZ“s (Sozialpädiatrischen Zentren) oder im Schulpsychologischen Dienst der verschiedenen Bundesländer.
Je nachdem wer die Testung durchführt, wird nur ein IQ-Test gemacht, der mehr oder weniger zeitaufwändig ist, der allein oder in der Gruppe durchgeführt wird – oder es wird eine umfassendere Begabungsdiagnostik durchlaufen.
Abhängig vom Ort und der Person des/der Testers/in ist es auch, was man als Ergebnis der Testung erhält: nur die Aussage „hochbegabt/nicht hochbegabt“, eine Zahl (Gesamt-IQ), mehrere Zahlen (z.B. im Rahmen des WISC-V den Gesamt-IQ sowie die Werte aus den fünf Indizes „Sprachverständnis“, „visuell-räumliche Verarbeitung“, „fluides Schlussfolgern“, „Arbeitsgedächtnis“, „Verarbeitungsgeschwindigkeit“) und/oder ein kurzes oder sogar mehrseitiges, schriftliches Gutachten mit den Ergebnissen oder auch mit Handlungsempfehlungen, dazu ein Gespräch oder nicht…
Insbesondere wenn man den Test selbst zu zahlen bereit ist, sollte man sich vorher genau erkundigen, was man danach erwarten darf. Man sollte sich auch ggf. erkundigen, was die Schule oder eine andere Stelle, gegenüber der eine Hochbegabung nachgewiesen werden soll, als Nachweis haben möchte.
6. Was ist der Unterschied zwischen einem IQ-Test und einer Begabungsdiagnostik?
Eine „Begabungsdiagnostik“ unterscheidet sich sich vom reinen IQ-Test darin, dass sie weiter gefasst ist, weil sie auf einem mehrdimensionalen Verständnis von Begabung beruht. Sie kann neben dem IQ-Test weitere Tests umfassen, z.B. um ein beginnendes Underachievement zu erkennen (underachievement = trotz hohen Potenzials nicht die erwartbaren Leistungen erbringen (können)). So gibt es z.B. Tests, die Auskunft über die Motivation oder Konzentrationsfähigkeit oder visuelle bzw. auditive Wahrnehmungsstörungen geben können.
Eine Begabungsdiagnostik umfasst auch Beobachtungen zum Verhalten der zu testenden Person in der Testsituation, meist wird auch das Umfeld (Familie, Schule) beleuchtet. In der Regel erhält man nach einer Begabungsdiagnostik ein mehrere Seiten umfassendes Gutachten als Ergebnis.
7. Wie finde ich eine/n geeignete TesterIn?
Die KARG-Stiftung führt eine Liste mit BegabungsdiagnostikerInnen. Ob diese Leute sich dort selbst gemeldet haben oder nach welchen Kriterien sie ausgewählt wurden, wird nicht transparent gemacht: LINK.
Natürlich kann man sich auch im Bekanntenkreis erkundigen oder in einschlägigen Facebook-Gruppen, selbst im Netz recherchieren und einfach Praxen von PsychologInnen anrufen und fragen.
Außerdem gibt es eine Liste von selbst ernannten Fachleuten hier:
Expertenkreis Hochbegabung/Potenziale. Die Selbstbeschreibung auf der Seite lautet: „Wir sind eine seit 1994 tätige Expertengruppe von Psychologinnen und Psychologen mit qualifiziertem Hochschulabschluss (Dipl.-Psych. oder Master), die sich vor allem auf Begabungsdiagnostik und Beratung spezialisiert haben. Wir sind Profis mit viel Erfahrung in der Testung und Beratung rund um das Thema “Begabung”.“
Auch auf der folgenden Seite finden sich Menschen in einer Liste, die sich zumindest mit dem Thema Hochbegabung intensiver auseinander gesetzt haben:
8. Kostet das was und wenn ja: wieviel?
Es kommt darauf an.
Eine Begabungsdiagnostik kann mehrere hundert Euro kosten, wenn man sie in einer privaten psychologischen Praxis machen lässt: ab ca. 250 Euro, z.T. sogar 400-500 Euro. Bei weiterem Beratungsbedarf können zusätzliche Kosten entstehen. Es gibt aber auch Kinder- und Jugendpsychologen, die eine Kassenzulassung haben, und im Rahmen ihrer Beratung u.a. auch Begabungsdiagnostik anbieten. An so eine Praxis sind wir selbst zufällig geraten. Dort zahlt man dann nichts für die Testung, wenn die PsychologInnen sie als notwendig für die Klärung bestimmter Fragen erachten.
Auch Schulpsychologen oder SozialpädagogInnen in SPZs testen kostenlos. Allerdings kann man sich hier die TesterIn nicht aussuchen und genauso gut Glück wie Pech haben. Außerdem ist in letzteren Fällen zu bedenken, dass man sich selbst bzw. das Kind/der Jugendliche ggf. in einer Konfliktsituation mit der Schule befindet, und der Test deshalb in einer vorbelasteten Situation stattfindet. Dies kann Einfluss auf das Ergebnis haben.
Mit Konfliktsituation meine ich hier, dass entweder die Schule die Hochbegabung in Frage stellt und nun „unabhängig“ überprüfen lassen möchte, oder dass Verhaltensauffälligkeiten, z.B. Verdacht auf AD(H)S oder Autismus, im Raum stehen. In diesen Fällen sollte man es sich überlegen, ob eine Testung bei einer/m selbst gewählten/r TesterIn nicht vielleicht die bessere Wahl ist. Allerdings sollte man natürlich mit der Schule darüber sprechen, ob das Ergebnis dann auch anerkannt wird. Das nicht zu tun, wäre zwar merkwürdig, aber es gibt nichts, was ich in diesem Zusammenhang nicht schon gehört habe…
9. Den Test wiederholen – bzw. noch einen anderen Test machen?
Manchmal kommt die Frage auf, ob ein Test wiederholt werden sollte. In dem von mir hier bereits öfter in den Fussnoten zitierten Buch „Hochbegabte Kinder – Das große Handbuch für Eltern“ von James T. Webb steht als generelle Empfehlung (S. 495), dass zwei oder drei Jahre nach der ersten Testung eine weitere vorgenommen werden sollte, um „Vergleiche anstellen zu können und Fortschritte zu überwachen“. Diese Ansicht habe ich allerdings sonst nirgends gelesen oder gehört in Deutschland.
Doch auch wenn man nicht der Meinung ist, dass grundsätzlich ein zweiter (oder dritter…) Test gemacht werden sollte: Es gibt durchaus gute Gründe, einen weiteren Test abzulegen. Zum Beispiel wenn…
- … die Testsituation im ersten Test nicht gut war (Kind müde, heißer Tag…) oder sich das Kind mit der Testperson nicht wohlgefühlt hat
- … wenn der Test abgebrochen werden musste und nur ein Teilergebnis vorliegt
- … wenn das Kind beim ersten Test jünger als vier oder fünf Jahre war
- … wenn man im Nachhinein feststellt, dass der Test für die Fragestellung, die man mitbrachte, eigentlich ungeeignet war
- …wenn eine bereits veraltete Testversion beim ersten Test verwendet wurde (z.B. WISC-IV, obwohl es seit 2017 den WISC-V gibt)
- …wenn man im Nachhinein erfährt, dass der/die TesterIn kaum Erfahrung mit dem Test hatte
- …wenn der/die TesterIn in einem konflikthaften Verhältnis zum Kind/Jugendlichen bzw. dessen Eltern steht (z.B. wenn der Test auf Wunsch der Schule vom schulpsychologischen Dienst durchgeführt wird, die Schule und das Kind/der Jugendliche/die Eltern jedoch ein schwieriges Verhältnis haben)
Allerdings sollten Tests zeitlich nicht zu nah beieinander liegen. Sonst gibt es die „Gefahr“, dass ein Kind/Jugendlicher Testerfahrung sammelt und lernt, wie solche Tests funktionieren. Dann würde das Ergebnis verfälscht. Deshalb wird idR geraten, dass Tests mindestens ein oder zwei Jahre auseinander liegen sollten.5
10. Sollten Geschwister getestet werden?
Ich finde: ja.
Es gibt aber auch hier die Gegenmeinung, dass das nur „nötig“ sei, wenn es hinsichtlich eines Geschwisterkindes auch konkrete Fragen oder Probleme zu klären gibt. Das hat z.B. „unsere“ Psychologin vertreten. Ich habe dennoch um Testung aller Kinder gebeten.
Im Ergebnis liegen sie alle ziemlich nah beieinander, aber es gibt klare Profilunterschiede: So ist z.B. unser Sohn sehr sprachbegabt, unsere älteste Tochter hat hier jedoch keine besondere Stärke. Das zeigt sich auch deutlich bei beiden: Unser Sohn hat ein Faible für stehende Wendungen und drückt sich gern sehr differenziert aus. Unserer ältesten Tochter fallen Formulierungen oft schwerer – sowohl schriftlich als auch mündlich. Für unsere Tochter ist es deshalb wichtig, das zu üben. Unser Sohn kann viel Selbstbewusstsein daraus ziehen, dass ihm das Vokabellernen sehr schnell von der Hand geht. Das wiegt andere Bereiche, in denen er mehr üben muss (er ist im mathematisch-logischen Bereich deutlich schwächer als seine Schwestern), wieder auf.
Die Gründe, warum ich Geschwister – insbesondere Schwestern von bereits als hochbegabt erkannten Jungen – immer alle testen lassen würde:
- Ungerechtigkeiten vermeiden (z.B. wäre es ungerecht, wenn ein hochbegabt getestetes Kind zu einem Spezialkurs oder Sommercamp gehen dürfte, das andere aber nur deshalb nicht, weil es nicht getestet ist).
- präventiv, Unterforderung/Underachievement vermeiden.
Hintergrund:
Jungen werden wesentlich häufiger getestet als Mädchen (zwischen doppelt und dreimal so oft)6. Ein Grund dafür ist, dass Jungen ihre Unzufriedenheit in Kita und Schule viel häufiger durch störendes Verhalten deutlich machen als Mädchen. Mädchen langweilen sich zwar genauso, passen sich aber viel stärker an.
Auch haben Jungen öfter ausgeprägte, ungewöhnlichere Spezialinteressen. Wer jedoch weniger spektakuläre Hobbies hat oder mehrere verschiedene – wie viele Mädchen -, fällt weniger auf und wird damit seltener getestet. Auch wird von Söhnen bzw. Schülern nach wie vor eher hohe Begabung erwartet als von Mädchen: diese sollen eher ein gutes Sozialverhalten zeigen und sich für andere einsetzen. Auch das führt dazu, dass Jungs häufiger getestet und als hochbegabt erkannt werden – Eltern und LehrerInnen schreiben ihnen diese Möglichkeit eher zu als Mädchen7.
Schließlich sind IQ-Tests so konstruiert, dass sie Mädchen z.T. strukturell benachteiligen8, z.B. weil die sprachlichen Bereiche zu leicht sind, somit keine Höchstleistungen möglich sind. Und/oder weil die Antwortmöglichkeiten, die als korrekt gewertet werden können, zu eng gefasst wurden, so dass kreativere Antworten als „falsch“ gewertet werden müssen (dies ist zB etwas, was bei einer meiner Töchter tatsächlich an einer Stelle passiert ist).
Underachievement ist die mögliche Folge von unerkannter Hochbegabung. Es ist gegeben, wenn ein Kind/einE JugendlicheR zwar intellektuell in der Lage wäre, hohe Leistungen zu erbringen, dies aber nicht tut. Underachievement zu durchbrechen, wenn es sich einmal eingeschlichen hat, ist sehr schwierig. Es sollte deshalb am besten von Anfang an vermieden werden.
Und es ist auch nicht das einzige Problem: psychische Belastungen wie mangelndes Selbstwertgefühl, oder psychische Erkrankungen wie Ängste und Depressionen sind mögliche Folgen von ständiger Unterforderung („bore out“).9
Fussnoten:
1 Card, D.; Giuliano, L. (2016): Universal screening increases the representation of low-income and minority students in gifted education. In: Proceedings of National Academy of Sciences of the United States of America, 113 (48). Washington DC: National Acadamy of Sciences. S. 13678-13683.
2 Vgl. James T. Webb, Hochbegabte Kinder, S. 429 und dortige Verweise (FN 14, 15 auf Seite 532) auf Studien.
3 Vgl. z.B. Aiga Stapf, Hochbegabte Kinder – Persönlichkeit, Entwicklung, Förderung, S. 32ff.
4 Auch hier werden verschiedene IQ-Tests sowie weitere Tests zB bzgl. Motivation, visueller Wahrnehmung, Konzentrationsfähigkeit usw. vorgestellt: https://www.hochbegabten-homepage.de/intelligenztest_fuer_kinder.html#ab_welchem_alter_ist_ein_iq_test_sinnvoll
5 Wiederholung von IQ-Tests, Aufsatz: https://www.hochbegabtenhilfe.de/wiederholungen-von-iq-tests/
6 Katharina Fietze, Kluge Mädchen – Frauen entdecken ihre Hochbegabung, S. 235; Aiga Stapf, Hochbegabte Kinder, S. 85.
7 https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/02783193.2011.580500: Gifted Girls: Gender Bias in Gifted Referrals Margarita Bianco, Bryn Harris, Dorothy Garrison-Wade, Nancy Leech
8 Vgl. Katharina Fietze, aaO, S. 240Ff mit weiteren Verweisen.
9 Vgl. James T. Webb, aaO, S. 252ff.