Psychologische Hilfe für deutsche Expats

Wer plant, längere Zeit im Ausland zu leben, beschäftigt sich meist mit der Frage nach der medizinischen Versorgung im Zielland: Was, wenn ein Kind oder man selbst krank wird oder einen Unfall hat? Ist ein Krankenhaus in der Nähe, sind die ÄrztInnen im Zielland gut ausgebildet, bekommt man schnell Hilfe? Manches Land scheidet dann schon als Ziel aus. Doch nur wenige denken an die Möglichkeit, dass sie nicht nur körperlich, sondern auch seelisch erkanken könnten. Psychologische Hilfe für deutsche Expats ist nicht leicht zu bekommen. Insbesondere wenn eine Therapie auf deutsch notwendig ist, stößt man schnell an Grenzen.

Risiko psychischer Erkrankungen für Expats wohl höher als für Inländer

Dabei tragen Expats natürlich das gleiche Risiko, psychisch zu erkranken, wie Inländer – wahrscheinlich ist es in vielen Fällen sogar höher: Denn das soziale Netzwerk, das man in seiner Heimat hat und das viele Ressourcen bereit hält, fehlt im Ausland. Stattdessen muss man mit der neuen Kultur zu leben lernen, also eine Anpassungsleistung erbringen. Die berufliche Belastung kann im Ausland höher sein – oder als begleitende/r PartnerIn ganz wegfallen, was ebenso zu Problemen führen kann. Auch die Sicherheitslage im Zielland kann zu einer höheren psychischen Belastung führen als es im Heimatland der Fall wäre.

Therapie-Möglichkeiten in der Muttersprache sind im Ausland schwer zu finden

Was tun, wenn dann psychologische Hilfe erforderlich ist? Bei einem Beinbruch ist es ziemlich egal, ob der behandelnde Arzt deutsch spricht oder nicht. Wenn jedoch die Seele leidet, kann es sehr wichtig sein, Unterstützung in der Muttersprache zu bekommen. Das gilt umso mehr, wenn es sich bei den PatientInnen um Kinder handelt, die die Landessprache noch nicht beherrschen und auch noch nicht sehr gut Englisch sprechen. Doch selbst bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen ist eine Therapie in einer Fremdsprache häufig eine Hürde zu viel: Wenn sich jemand dazu durchringt, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist das oft das Ergebnis eines langen Prozesses. Wenn derjenige dann in einer fremden Sprache über seine innersten Probleme sprechen soll, ist das für manche keine Option. Aber deutsch-sprachige Psychotherapeuten sind im Ausland natürlich rar gesät.

Ausweg online-Therapie?

Also einfach online einen Therapeuten in Deutschland suchen? – Das klingt so leicht und unkompliziert heutzutage. Doch leider ist es das nicht. Es gibt zwar mittlerweile die Möglichkeit, dass Psychotherapien per Videokonferenz in bzw. von Deutschland aus durchgeführt werden. Allerdings gibt es einige Einschränkungen. Und sehr viele Psychotherapeuten in Deutschland scheinen sich nicht sehr gut mit den Regelungen auszukennen. Gut, sie sind auch noch nicht sehr alt und durch die Covid19-Pandemie zurzeit auch noch modifiziert… Aber in anderen Ländern ist man da – mal wieder – deutlich weiter…

Hilfe auf Distanz ist möglich – wenn auch in Deutschland noch nicht sehr verbreitet

Es ist aber nicht aussichtlichslos, psychologische Hilfe auf Distanz zu finden. Neben der Möglichkeit, TherapeutInnen direkt anzuschreiben oder anzurufen, gibt es sogar einige wenige Anbieter, die sich auf die Betreuung von Expats spezialisiert haben (s. unten). Allerdings wird häufig nicht die klassische „Psychotherapie“ angeboten, sondern nur „psychologische Beratung“ oder „coaching“. Dies dürfte mit Haftungsrisiken zusammenhängen, die durch die zurzeit geltende Rechtslage in Deutschland nicht ganz ausgeschlossen sein dürften, wenn die PatentInnen dauerhaft im Ausland leben.


Zurzeit gelten folgende Regelungen zur Psychotherapie über Videokonferenzen in Deutschland*:

Therapien via Videokonferenzen sind gemäß „Psychotherapie-Vereinbarung“ (Anlage 1 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte, Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgungvom 2. Februar 2017) erlaubt, allerdings mit ein paar Einschränkungen. Ausnahmsweise sind manche dieser Einschränkungen bis zum 31.12.2021 aufgrund der Corona-Pandemie außer Kraft gesetzt.

Grundsätzlich gilt: Für psychotherapeutische Behandlungen ist der unmittelbare persönliche Kontakt erforderlich (§ 1 Abs. 4 Psychotherapie-Vereinbarung). Auch in „normalen Zeiten“ darf jedoch gem.
§ 17 derselben Vereinbarung per Videokonferenz behandelt werden. Allerdings nicht bei Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung: die müssen im unmittelbaren persönlichen Kontakt gemacht werden. Außerdem sind Sorgfaltspflichten – insbesondere der Berufsordnungen, die sich je nach Bundesland und Ausbildung des Therapeuten unterscheiden – zu beachten und natürlich die Umstände des Einzelfalles.

Bestimmte Behandlungen dürfen in normalen Zeiten ausschließlich im persönlichen Kontakt stattfinden:

  • die psychotherapeutische Sprechstunde nach § 11 der Psychotherapie-Vereinbarung
  • probatorische Sitzungen nach § 12 der Psychotherapie-Vereinbarung und
  • Hypnose.

In den Absätzen 4 bis 8 des § 17 werden noch einige weitere Voraussetzungen für die Durchführung von Therapien über Videokonferenzen genannt, die vor allem Aufklärungspflichten und technisch/räumliche Bedingungen umfassen, u.a. gilt eine weitere Anlage des Bundesmantelvertrags Ärzte für die technische Sicherheit der Videokonferenzen (Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte: „Vereinbarung über die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Videosprechstunde gemäß § 365 Absatz 1 SGB V vom 21. Oktober 2016 in der Fassung vom 25. Februar 2021„).

Seit dem 23. März 2020 modifizieren die „Sonderregelungen zur Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung aufgrund von SARS-CoV-2 vom 23. März 2020“ die Psychotherapie-Vereinbarung. Die Modifikationen gelten zurzeit bis 31. Dezember 2021. (Es wird aber wohl bereits eine Verlängerung debattiert (bis Juni 2022), wenn ich den Hinweis in der rechten Spalte hier richtig verstehe: https://www.kbv.de/html/videosprechstunde.php) :

Gem § 1 Abs. 1 dieser Regelungen sind nun auch Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung ohne unmittelbaren persönlichen Kontakt möglich „für besondere Ausnahmefällen und unter besonderer Beachtung der berufsrechtlichen Sorgfaltspflichten“. Gem. § 1 Abs. 3 derselben Regelung ist der unmittelbare persönliche Kontakt dagegen ausnahmsweise NICHT erforderlich für probatorische Sitzungen (anders als für normale Zeiten in § 17 Abs. 3 Nr. 2 Therapie-Vereinbarung geregelt). Diese können zurzeit also auch per Videokonferenz erfolgen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung weist noch auf Folgendes hin:
„MENGENBEGRENZUNG VORÜBERGEHEND AUFGEHOBEN: Angesichts der weiteren Ausbreitung des Coronavirus gelten seit dem zweiten Quartal 2020 keine Begrenzungsregelungen bei der Videosprechstunde. Normalerweise dürfen Ärzte und Psychotherapeuten pro Quartal maximal jeden fünften Patienten ausschließlich per Video behandeln. Auch dürfen nur 20 Prozent der Leistungen per Videosprechstunde durchgeführt werden“.


Anbieter für psychologische online-Unterstützung:

Interessantes Interview mit dem Gründer von PsychologenOnline.

Zeit-Artikel über das Thema online-Therapie, allerdings schon etwas älter.

Dissertation zu psychischen Belastungen im Auslandseinsatz (pdf-Download)


*Ich übernehme keinerlei Haftung für diese Zusammenstellung an Regelungen. Es ist möglich, dass entscheidende Vorschriften fehlen/übersehen oder mittlereweile wieder geändert wurden. Jede/r, der/die eine online-Therapie sucht, muss sich selbst bei seiner Krankenkasse und dem gewünschten Therapeuten über die gesetzlichen Grundlagen erkundigen und gemeinsam mit diesen entscheiden, ob auf diesen Grundlagen und im jeweiligen Einzelfall eine online-Therapie möglich ist oder nicht.

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