Idyllische Natur – rebellische Kinder

Gestern waren wir in dem kleinen Naturschutzgebiet Nyckelviken („Schlüsselbucht“) auf Nacka. Schon das „nyckel“ im Namen kommt klanglich dem deutschen „nörgeln“ recht nahe. Nomen est omen… Der Tag war geprägt von nörgeln, meckern, jammern, knatschen und nerven. Die idyllischste Bucht kommt nicht gegeben rebellische Kinder an.

Naturreservat Nyckelviken – hier sieht man, warum es „viken“ heißt: die Bucht.

Im Moment kann man ja nicht so viel machen: Die Museen sind zu, selbst das Freiluftmuseum Skansen hat geschlossen (das erste Mal seit 129 Jahren!), wegfahren wollten wir in der Pandemie nicht, obwohl das sehr viele Schweden tun. Die Skigebiete sind ausgebucht wegen der „Sportlov“ – Sportferien – die diese Woche in Stockholm sind – und das, obwohl z.B. Sälen zu den sehr betroffenen Gebieten gehört, wo nun ua die südafrikanische Virusvariante nachgewiesen wurde…

Wir machen also regelmäßig Ausflüge in die Umgebung: im verzweifelten Versuch, ein bisschen Land – wenn schon nicht Leute – kennenzulernen, etwas Bewegung und Neues in den schulfreien Alltag zu bringen oder – ganz hochgestecktes Ziel! – die Kinder dauerhaft für outdoor Aktivitäten zu gewinnen (vielleicht sogar mal ohne elektronische Begleiter). Aber die Kinder finden es abwechselnd oder alle gleichzeitig doof. Gestern stänkerte besonders die Jüngste, doch auch die Pubertiere waren nicht hilfreich: schon vor der Abfahrt hieß es, dass sie DArauf ja eigentlich keine Lust hätten…

Es geht Wochenende für Wochenende lustig reihum: Wenn der eine nicht nörgelt, nörgelt die andere und vice versa. Nörgeln (zu weit!), meckern (ich hab keine Lust!), jammern (meine Füße!), knatschen (wie lang noch?), nerven (ich will nach Hause!) – das ist unser Fünfklang. Ich frage mich, ob es nur bei uns so ist? Oder sind unsere Kinder besonders verzogen? Sind wir Eltern zu doof? Liegt es an der Altersmischung (6, 10, 13, 15)? Oder daran, dass sie so unterschiedlich sind? Sollen wir in Zukunft einfach nur noch allein losziehen und sie zuhause vor den Trilliarden von Bildschirmen zurücklassen? Oder dort das W-Lan abschalten, den Großen die Smartphones klauen und DANN alle allein zuhause lassen? (Huh, das Horrorszenario….) Das passende Lied für erfreuliche Familienreisen: Deine Freunde – wann sind wir da.

Selbst der Hund trug dazu bei, dass gleich der Anfang des Ausflugs anstrengend wurde: Ronja muss im Naturschutzgebiet natürlich an der Leine bleiben. Sie zerrte und zog (ihre Art, zu nörgeln), war sehr aufgeregt und macht dann – eigentlich ja brav und praktisch – gleich mal einen großen Haufen. Aber kann mir mal jemand sagen, warum die Schweden hier nirgends Mülleimer aufstellen? An keinem Parkplatz, an keiner Bank am Weg, nirgends steht eine Mülltonne. Was dazu führt, dass man mit der stinkenden Hundekottüte (ich weiß auch nicht, warum es da immer durchstinkt, obwohl die Teile aus Plastik sind) herumirrt und schließlich zum Herrgard laufen muss (Herrenhaus, wo man normalerweise Kaffee trinken und essen kann, außerdem gibt es dort einen Platz zum Grillen und Toiletten), um das Ding endlich loszuwerden – obwohl man eigentlich schon auf einer anderen Strecke unterwegs war.

Allgemeine Mülleimerknappheit in Schweden

Und das ist kein Einzelfall, ich vergesse es nur blöderweise immer wieder: Die Mülleimerknappheit scheint ein schwedenweites Problem darzustellen. Vielleicht muss ich das mal genauer recherchieren, warum. Auf Lidingö z.B. gibt es den ganzen Lidingö-Loppet entlang (eine sehr beliebte und bekannte Laufstrecke durch den Wald): KEINE Mülleimer. Das nervt! Dafür hat jeder zweite hier einen Hund. Wo die alle ihre Hundetüten hinwerfen? Keine Ahnung. Bisher bleibt das das gut gehütete Geheimnis der Schwedinnen und Schweden…

Herrgard Nyckelviken: Mülleimer nur hier – das nervt.

So kam es, dass trotz herrlichsten Wetters, guter Luft und schöner Natur meine Laune schon nach einer halben Stunde am Tiefpunkt war. Denn das, was mich eigentlich glücklich macht, mir neue Energie gibt und wovon ich eine Weile zehren kann, konnte ich gar nicht genießen: Keinen Moment lang konnte ich die Landschaft in Ruhe anschauen oder mal ohne Genörgel neben mir einfach ruhig irgendwo sitzen. Selbst beim Picknick meckerte Mila rum: Es gab Käse, glutenfreie Pepparkakor, Brötchen, Wiener Würstchen vom Lidl (also deutsch schmeckende), Kakao mit echter Schokolade, Früchtetee, Käsecracker… und sie wollte das einzige, was sie nicht haben durfte: glutenhaltige Mini-Muffins, die ich nur mitgenommen hatte, weil die Tüte schon offen war. Manchmal könnte ich die ganze Bagage einfach auf den Mond schießen!!!

Die Bilder sehen dafür ziemlich friedlich aus.

Noch ein Wort zu den Sportferien hier in Schweden:

Die Skigebiete sind zurzeit ausgebucht. Und das, obwohl z.B. Sälen zu den von Covid19 sehr betroffenen Gebieten gehört, wo nun u.a. die südafrikanische Virusvariante nachgewiesen wurde… Da die nationale Regierung nichts unternimmt, um diese unnötigen Reisen zu verhindern (außer davon abzuraten), empfehlen (!!) die Stadt Stockholm und weitere Kommunen, die Schulklassen 7-12 nach den Sportferien noch eine Woche zuhause zu unterrichten, um mögliche Infektionsketten zu unterbrechen. Zum Glück richtet sich die Deutsche Schule nach dieser Empfehlung. Tegnell rät zu zwei Tests (sofort nach Rückkehr und nach fünf Tagen), insbesondere nach AUSLANDSreisen – hä? was? gibt´s sowas noch?! – aber daran, die Skigebiete zu schließen oder zwangsweise Tests nach Auslandsaufenthalten durchzuführen oder Quarantäne anzuordnen, statt sie nur zu empfehlen – das kommt hier offenbar nicht in Frage.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Bitte akzeptiere zunächst unsere Datenschutzbedingungen.