Das Sachbuch „Was geschah wirklich?“ beleuchtet einige der faszinierendsten Katastrophen (Teil 1) und Geheimnisse (Teil 2) auf der Welt für Kinder: Warum verschwinden im Bermuda-Dreieck so viele Schiffe? Wieso ist die unsinkbare Titanic doch gesunken? Wie konnten zwei Seen zu Killern werden? Gibt es Bigfoot? Wie entstehen Kornkreise? Und natürlich geht es auch um Vulkane, tödliche Stürme, Flüche und UFOs. Immer auf zwei Seiten werden die Geschichten erzählt, auf zwei weiteren Seiten („Katastrophenakte“ bzw. „Fallakte“ genannt), werden wie auf einer Pinnwand Fakten und Ideen dazu dargestellt.
Katastrophen und Geheimnisse in verdaulicher Form
Kinder lieben rätselhafte Geschichten. Auch Katastrophen finden sie spannend. Allerdings müssen sie weit genug weg sein – sonst sind sie zu bedrohlich. Dem Buch Was geschah wirklich? Katastrophen und Geheimnissen auf der Spur“ gelingt hier ein schwieriger Spagat. Einerseits spricht die Autorin durchaus beängstigende Dinge an, andererseits bekommen die Kinder Informationen an die Hand, um mit ihnen umgehen zu können. Allerdings bleibt das Buch dabei zum Teil etwas oberflächlich.
Positiver Blickwinkel: Prävention von Katastrophen
Hilfreich für Kinder finde ich den Blickwinkel, der in der Einführung zum ersten Teil dargestellt wird: Sich mit Katastrophen zu beschäftigen und ihre Gründe zu verstehen, kann helfen, weitere zu verhindern. Diese Haltung erlaubt Kindern, sich auch mit Dingen auseinander zu setzen, die ansonsten vielleicht zu überwältigend wären.
Auf der kurzen Einleitungsseite werden außerdem mehrere Kategorien eingeführt, die später in den „Katastrophenakten“ – z.T. leicht abgewandelt – wieder auftauchen. Die Autorin erläutert z.B., dass nach Katastrophen unterschiedlichste Experten untersuchen, was geschehen ist („Untersuchen und verstehen“). Außerdem wird die Kategorie „Katastrophenwörter“ vorgestellt, die aussieht wie ein aufgeklebter post-it-Zettel. Auf diesen „Zetteln“ stehen später im Buch Schlüsselbegriffe zu den dargestellten Katastrophen wie „verheerend“ oder „Inferno“ und die dazugehörigen Bedeutungen. Im zweiten Teil des Buches gibt es analog dazu die Kategorien „Mystery-Wörter“, „Beweise“ und „Zeugen“. Wörter werden übrigens z.T. auch direkt im Text erklärt (z.B. „Heck“ bei der Titanic). Das ist sicher sehr hilfreich für Kinder.
Ungeschickte Unterüberschrift könnte zu Frustration führen
Etwas irreführend und für manche jungen LeserInnen vielleicht auch frustrierend, ist die Unterüberschrift zum ersten Teil „Finde heraus, was WIRKLICH geschah“. Insbesondere sehr schlaue Kinder werden die Informationen, die ihnen auf den zwei Seiten „Katastrophenakte“ gegeben werden, nicht als ausreichend empfinden. Sie werden sehr schnell feststellen, dass sie dadurch noch lange nicht in der Lage sind, die Wahrheit über das Ereignis ohne Restzweifel herauszufinden. Da weckt das Buch meiner Meinung nach falsche Erwartungen und könnte bei manchen Kindern zu Frust führen. Das ist schade, weil man es durch eine andere Formulierung leicht hätte verhindern können.
Im zweiten Teil ist es geschickter gemacht. Hier lautet die Unterüberschrift: „Kannst DU das Unerklärliche erklären?“. Auch in diesem Teil gibt es keine endgültigen Antworten auf die vorgestellten Phänomene. Aber das ist mit der eingangs gestellten Frage völlig in Ordnung und wirkt eher motivierend.
Graphisch ansprechend und gut geeignet für Lesemuffel
Graphisch sind die „Katastrophen-“ bzw. „Fallakten“ ansprechend: Die Doppelseiten sehen aus wie Pinnwände, an die Zettel, Karten, Bilder usw. angeheftet wurden und insgesamt ein Bild der Geschehnisse ergeben. Dieser Darstellungsweise wurden allerdings offenbar die Inhalte untergeordnet. Übersichtlichkeit scheint wichtiger gewesen zu sein als der Anspruch, so viele Informationen zu bieten, dass sich die LeserInnen wirklich ein fundiertes, eigenes Urteil bilden können.
Für Lesemuffel hat das Vorteile: Die Themen sind spannend, die Texte jedoch meist nicht besonders lang. Diese kleinen Häppchen dürfte auch Kinder zum Lesen animieren, die sich mit längeren Texten schwertun.
„Suchwörter im Internet“ fehlt für mich als Kategorie
Aber besonders neugierige und begabte Kinder werden nach der Lektüre weitere Fragen haben. Und da bietet das Buch leider nur ganz wenige Hinweise, wo man diesen nachgehen könnte. So hätte man durchaus z.B. „Suchwörter im Internet“ (in Kombination mit dem Hinweis auf eine Kindersuchmaschine) als Kategorie auf der Pinnwand anbieten können.
Buchempfehlungen: zu wenige und zu wahllos
Auch Hinweise auf Bücher oder Internetseiten zur Vertiefung wären hilfreich – und wenn es nur am Ende des Buches in einem extra Teil für besonders Interessierte und/oder Eltern gewesen wäre. Das Glossar beschränkt sich jedoch auf die Katastrophen- bzw. Mystery-Wörter und umfasst nur eine Seite.
Wenn sich dann mal ein Hinweis auf ein Buch findet, z.B. beim Bermudadreieck auf Charles Berlitz´ Buch „Bermuda-Dreieck: Fenster zum Kosmos“, bleibt unklar, warum gerade dieses dort auftaucht: Nur um die Aussage zu illustrieren, dass viele Bücher über das Bermuda-Dreieck veröffentlicht wurden? Oder weil dieses Buch wirklich gut ist? Und gibt es kein neueres, das besser geeignet wäre? Vielleicht sogar eins für Kinder? Das Bermuda-Buch von Berlitz ist aus den 1970er Jahren und eindeutig für Erwachsene. Das ist m.E. ärgerlich und nimmt die LeserInnen nicht ernst.
Ein paar extra Seiten zu Recherche und fake news wären cool gewesen
Richtig „rund“ wäre das Buch meiner Meinung nach, wenn es außerdem noch ein paar Seiten zu Recherchetechniken, seriösen Quellen und „fake news“ beinhalten würde. Ein Ansatz in diese Richtung findet sich im Kapitel „In die Vergangenheit“ reisen. In der Fallakte dazu gibt es eine Aufgabe für die Kinder: Sie sollen FreundInnen eine Geschichte zu erzählen und sie eine Woche später danach fragen. Dann sollen sie überlegen, was sie aus diesem Versuch lernen können. Mehr von diesen Aufgaben und eine zusammenfassende Reflexion dazu wären toll.
Fazit: Insgesamt ein durchaus spannendes, ansprechendes Buch für Kinder, das wahrscheinlich auch Lesemuffeln gefällt. Besonders schlaue Kinder könnten nach der Lektüre allerdings noch manche Fragen haben, weil das Buch z.T. zu oberflächlich bleibt.
Titel: WAS GESCHAH WIRKLICH? Katastrophen und Geheimnissen auf der Spur
Autorin: Susan Martineau
Erscheinungsjahr: März 2022
Verlag: arsedition
ISBN: ISBN-10 : 3845845953 ISBN-13: 978-3845845951
Preis: 16 Euro
Umfang: 96 Seiten, zwei Teile mit jeweils 11 Katastrophen bzw. Geheimnissen
Altersempfehlung des Verlages: ab 10 Jahren
Meine Altersempfehlung: Besonders schlauen Kindern macht das Buch sicher schon ab 8 Jahren Spaß.
Toll finde ich: Dass der Blick der Kinder auf die Verhinderung von Unglücken gerichtet wird und die jungen LeserInnen zum selbständigen Nachdenken aufgefordert werden.
Überrascht hat mich: Das Kapitel über Menschen, die sich vielleicht selbst entzündet haben.
Hilfreich finde ich: Dass Wörter, über die Kinder stolpern könnten, im Text erklärt werden.
Vermisst habe ich: Weiterführende Informationen für besonders wissbegierige Kinder. Es hätte auch mehr über Recherchetechniken, seriöse Quellen und etwas über „fake news“ drinstehen können.
Was ich weniger gelungen finde: Die Buchhinweise, die es dann doch mal gibt (Bermuda-Dreieck).