23.02.2022 – Gestern habe ich ein interessantes Zitat in einem Interview mit der Glücks-Professorin an der Uni von Yale, Laurie Santos, gelesen. Sie gibt seit 2018 eine sehr populäre Vorlesung („Psychology and the Good Life“) als Einführung in die Psychologie. Jetzt nimmt sie sich eine Auszeit. Sie sagte auf die Frage, ob ihre Studenten glücklicher seien, nachdem sie ihren Kurs besucht hatten: „We found that people who took our class tended to go up about a whole point on a 10-point happiness scale. But the dirty secret is that we can intervene and briefly change behavior but long-term change is really hard. What we know works is if you plop people down in a new culture, they change. You move to the Netherlands, you’ll be happier.“ Glücklicher durch Umzug?
Subjektiv fühle ich mich hier nicht glücklicher als in Deutschland
Das spukt mir seit gestern im Kopf herum…. Stimmt das wirklich, was sie da sagt? Wird man glücklicher durch einen Umzug in ein anderes Land? Meine spontane und rein subjektive Antwort ist: nein. Denn abgesehen davon, dass man diesen ganzen Anpassung-an-neue-Lebensumstände-Kampf in einem neuen Land bestreiten muss, verfällt man ja auch in einer neuen Umgebung durchaus schnell in alte Gewohnheiten. Ob man viel Sport macht oder wenig, ein Dankbarkeitstagebuch führt oder nicht, meditiert oder nicht, viel draußen ist, regelmäßig mit Freundinnen spricht… Diese ganzen Dinge, von denen man seit Jahren überall liest, dass sie glücklicher machen – die macht man doch nicht plötzlich, nur weil man in einem anderen Land ist? Macht man überhaupt Dinge anders, wenn man in ein anderes Land zieht? Alte Gewohnheiten und Rituale sind ja sogar ein Anker, eine Säule der Geborgenheit, die man besonders am Anfang sogar bewusst beibehält, um sich nicht so fremd zu fühlen.
Studie findet positiven Zusammenhang zwischen Migration und Glücksempfinden

Ich habe mal kurz dazu recherchiert gestern. Und tatsächlich – es gibt Evidenz zu dieser Aussage: Glücklicher durch Umzug in ein anderes Land scheint zu stimmen. (Ich habe auch nicht wirklich an daran gezweifelt, dass eine Yale-Professorin Quatsch erzählt. Aber rein subjektiv sind meine Empfindungen eben andere.) Vor allem Menschen, die von weniger entwickelte in hoch entwickelte Länder gehen, werden glücklicher. Bei Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt zwischen ähnlich entwickelten Ländern wechseln, sind die Ergebnisse der Studie weniger eindeutig. Westeuropäer, die in die USA, Australien oder Neuseeland ziehen, werden glücklicher. Aber wer innerhalb von Nordamerika oder Südostasien umzieht oder Westeuropäer, die nach Mittel- oder Osteuropa ziehen, bleiben gleich glücklich oder werden sogar u.U. unglücklicher.
Glück ist harte Arbeit
Wie ist es bei uns? Ich habe ja schon angedeutet, dass ich das Gefühl habe, dass wir hier nicht glücklicher sind als in Deutschland. An dieser Stelle muss ich wohl zugeben, dass ich insgesamt kein besonderes Händchen fürs Glücklichsein habe. Ich bin nicht so oft glücklich. Netterweise sagt Laurie Santos dazu auch etwas. Nämlich dass es schlicht schwierig sei, glücklich zu sein, dass es harte Arbeit sei. („Why are there so many happiness books and other happiness stuff and people are still not happy?” asks Santos, who is 46. “Because it takes work! Because it’s hard!”)
Meist tue ich das Falsche – wider besseres Wissen

Ich mache genau die Fehler, die wohl die meisten machen: Ich wähle ganz oft die falschen Dinge, um mich glücklicher zu machen – obowhl ich es eigentlich sogar besser weiß. Meistens tue ich das Falsche, weil die falschen Dinge einfacher zu erreichen sind, weniger Mühe und Anstrengung kosten. Und es wird uns allen ja auch ständig eingetrichtert, dass Konsum glücklich mache. Dann bestellt man eben online eine neue Hose, obwohl ein Spaziergang – am besten mit einer Freundin – viel glücklicher machen würde.
Die Schweden machen viel richtig – sind aber gleich glücklich wie die Deutschen
Die SchwedInnen sind da gar nicht so schlecht darin, etwas für ihr Glück zu tun. Die gehen wirklich ständig und bei jedem Wetter, gern auch allein, spazieren oder sich anders an der frischen Luft bewegen. Und sie machen es allen leicht. Die ganzen „utegyms“ („outdoor-Sportstudios“), die vielen kostenlosen Eislaufflächen in den Parks und auf Sportplätzen, die beleuchteten Joggingstrecken im Wald… und dazu die Mentalität, dass man selbst etwas für seine Gesundheit tun muss. Einen großen Unterschied – z.B. zu Deutschland – scheint es aber nicht zu machen. Die Schweden sind laut „World Happiness Report“ exakt gleich glücklich wie die Deutschen: 7.31 von 10 Punkten erreichen wir alle. Nur die Menschen in fünf Ländern sind glücklicher: NiederländerInnen, SchweizerInnen, DänenInnen, IsländerInnen und FinnInnen.
Ich muss wohl mehr an mir und für mein Glück arbeiten
Also muss ich mir wohl doch an die eigene Nase fassen. Denn mein „Happiness-Level“ scheint sich weder mit dem der Deutschen noch der SchwedInnen zu decken. Und ich kann ja nun auch nicht so einfach noch ein paar Mal die Formel „Glücklicher durch Umzug“ ausprobieren… Hard work, sagte Laurie Santos, sei das Glück… Da hat sie wohl recht – packen wir’s an!
Laurie Santos hat einen sehr erfolgreichen Podcast zum Thema „Glück“: hier.
Was glücklich macht:
- viele soziale Kontakte
- sich sozial zu engagieren (= gibt das Gefühl, gebraucht zu werden, Sinn im Leben)
- regelmäßige Meditation
- Reflektion, z.B. in einem Dankbarkeits-Tagebuch
- Bewegung/Sport
- Akzeptanz z.B. im Hinblick auf Ängste
- sich nicht mit anderen vergleichen (Das ist auch ein Grund, warum Noten in der Schule so schlecht sind. Dazu empfiehlt Laurie Santos übrigens folgendes Buch: Alfie Kohn,“Punished by Rewards: The Trouble with Gold Stars, Incentive Plans, A’s, Praise and Other Bribes” )
Liebe Steffi,
„Ich wähle ganz oft die falschen Dinge, um mich glücklicher zu machen – obowhl ich es eigentlich sogar besser weiß. Meistens tue ich das Falsche, weil die falschen Dinge einfacher zu erreichen sind, weniger Mühe und Anstrengung kosten. “ – das kann ich voll bestätigen! Geht mir hier in meiner gewohnten Umgebung ganz genau so. Und zu wissen, dass man seinem Glück NUR selbst im Wege steht, macht es nicht einfacher 😉
Liebe Grüße ins Winterwunderland,
Anja
Ja, man setzt sich dadurch leicht noch mehr unter Druck, was es wiederum schwieriger macht, ans Ziel zu kommen. Das wird durch Instagram etc. ja auch noch verstärkt. Aber gerade deshalb ist es wahrscheinlich am allerwichtigsten, mit anderen zu REDEN, weil man dann merkt, dass man mit nichts von alledem allein ist…