Familien-update

Wintereinbruch Ende November 2022 in Stockholm.

Zug Stockholm – Hamburg, 26. November 2022: Ich bin auf dem Weg nach Deutschland. Schon wieder. Vor sieben Wochen habe ich unsere Zweitälteste nach Hamburg gebracht. Dort hat sie eine vierwöchige Behandlung gegen ihre Long-Covid-Symptome bekommen (hyperbare Sauerstofftherapie wirkt! wer mehr wissen möchte: hier eine Studie auf Englisch , hier die Zusammenfassung auf deutsch). Jetzt fahre ich, um meine Mutter zu besuchen, der es nicht gut geht. Zeit für ein Update darüber, wie es uns allen geht.

Auf dem Weg von Stockholm nach Hamburg hatte ich zwei Stunden Aufenthalt in Kopenhagen. Genug für einen kleinen Stadtrundgang und Mittagessen. Hier: Der Tivoli ist weihnachtlich geschmückt.

Der Countdown für Schweden läuft

Zuhause in Stockholm (ja, so heißt das jetzt) sind unsere Kinder-Geburtstage dieser Jahreszeit alle vorbei. Zu dem meines Mannes will ich rechtzeitig wieder zurück sein. Noch drei Wochen bis Weihnachten – und dann ist auch schon das vorletzte Schulhalbjahr an der Tyskaskolan vorbei. Dann sind es nur noch sieben Monate in Schweden… Ich habe ziemlich gemischte Gefühle dabei.

Update: Sohn – er hat wieder Kopf- und Bauchweh

Wie geht es uns zurzeit? Eigentlich bin ich im Großen und Ganzen ziemlich zufrieden. Einzig unser Sohn macht uns nach wie vor Sorgen. Nachdem er im Sommer kaum Kopf- und Bauchschmerzen hatte, und auch die ersten Wochen im neuen Schuljahr ziemlich entspannt war, sind sie jetzt sei einigen Wochen wieder zurück. Selbst in den Herbstferien gingen sie nicht weg und bleiben auch die ganze Zeit relativ stark und gleichbleibend schlimm.

Wir haben kurz versucht, ihn histamin- und fructosefrei zu ernähren. Dass er Fructose nicht gut verträgt ist gesichert seit einem Test mit fünf oder sechs Jahren… Aber es gab gar keinen Effekt, obwohl er sich wirklich gut dran gehalten hat. Deshalb haben wir es wieder gelassen. Ein erneuter Arztbesuch vor zwei Wochen im schwedischen Vårdcentral (Ärtehaus – wie der Hausarzt bei uns) zog einen Blut-und Urintest nach sich. Die Ergebnisse sind mir bis heute nicht mitgeteilt worden. Eigentlich sollte – bei Ergebnislosigkeit – auch eine Überweisung zum Kinderarzt ausgestellt werden. Aber bis heute habe ich auch davon nichts mehr gehört. Es ist wie immer, wenn man hier zum Arzt geht… ziemlich frustrierend. Weil man schon halbtot sein muss, damit die mal in die Gänge kommen, hat man den Eindruck. Und das, obwohl dieses Kind jetzt wirklich seit Wochen nur noch mit Schmerztabletten in die Schule geht…

Endlich ein Smartphone!

Ein wichtiger Geburtstag in unserer Familie: Mit 12 bekommt man ein Smartphone.

Seiner guten Laune tut das zum Glück (und erstaunlicherweise) nicht unbedingt Abbruch. Er ist immer wieder – zumindest zuhause – sehr fröhlich, hat sich wahnsinnig auf seinen 12. Geburtstag gefreut Ende November. Auch wenn er ihn nicht mit Gleichaltrigen feiern wollte, weil er – sehr klar – sieht, dass er keine richtigen Freunde in seiner Klasse hat.

Aber immerhin hat er nun etwas, auf das er nach eigener Aussage zwischen sieben und zwölf Jahren gewartet hat: ein Smartphone! Damit hat er gleich am Geburtstag lange mit einem alten Freund aus Kindergartentagen telefoniert . Und einen Tag später mit einem aus seiner alten Grundschulklasse… Warum das mit dem Smartphone wesentich längere Gespräche waren als jemals mit seinem normalen Handy – keine Ahnung.

Da ist das gute Stück…

Kontakte wieder aufleben lassen – eine gute Vorbereitung

Jedenfalls haben ihn diese Kontakte glücklich gemacht. Auch weil sie gute Vorboten für den Rückzug nach Berlin sein könnten. Der Junge aus der Grundschulklasse geht auf die weiterführende Schule, auf die auch unser Sohn gehen möchte. Und der andere wohnt wenigstens in der Nähe von Berlin. Wenn wir zurück sind, sind die beiden so groß, dass sie auch mal allein in die S-Bahn steigen und sich besuchen können. Er bereitet also seine Rückkehr ganz gut vor…

Update: Wetter – Schneechaos am Geburtstag

Sein Geburtstagsessen im Restaurant mussten wir allerdings verschieben. Denn ausgerechnet an dem Tag kam der große Wintereinbruch, und wir hatten noch unsere Sommerreifen drauf. Es waren Massen von Schnee!

Kein Durchkommen auf unserer Dachterrasse – und die Hoffnung, dass das Flachdach drumherum gut konstruiert ist…

Wir hatten ja schon viel Schnee im ersten Jahr hier, aber DAS jetzt war – auch nach Aussagen von schwedischen Nachbarn – wirklich äußerst ungewöhnlich viel… Es schneite von Sonntag mittag bis Montag abend durch – unsere Dachterrasse lag unter ca. 60cm Schnee, ebenso unser Flachdach, was uns tatsächlich erstmals etwas Sorgen gemacht hat. Ab Dienstag taute es dann allerdings kontinuierlich bei 2 Grad, so dass jetzt – eine Woche später – fast alles wieder weg ist. Unseren Restaurant-Besuch werden wir nachholen, wenn ich wieder zurück von meiner Reise bin.

Update: Zweitälteste – es geht ihr besser!

Richtig glücklich macht uns, dass die Behandlung unserer Zweitältesten wegen Long-Covid eine deutliche Verbesserung für sie gebracht hat. Ihre Kopfschmerzen sind besser, ihre Müdigkeit ebenso, und sie kann sich auch wieder länger konzentrieren. Es ist immer noch nicht wieder alles wie vorher, weshalb wir auch in der Schule um einen Nachteilsausgleich kämpfen. Aber es ist eine sehr positive Entwicklung. Doch so schön das ist, es gab auch schon Tränen. Sie hat gesagt, dass ihr erst jetzt bewusst geworden sei, was sie verloren habe. Mathe z.B. fiel ihr früher immer extrem leicht. Jetzt hat sie im letzten Jahr viel verpasst (ca. 40 bis 50% des Schuljahres) und hatte in der ersten Klausur eine sehr schlechte Note. Das kratzt an ihrem Selbstwertgefühl, weil sie immer stolz darauf gewesen ist, dass sie gut in den Naturwissenschaften war.

Unsere Zweitälteste in der Druckkammer beim „Tauchgang“: Der Druck wird so stark erhöht, als befände man sich etwa 10m unter der Meeresoberfläche. Während der hyperbaren Sauerstofftherapie atmen die PatientInnen durch eine Maske 100%igen Sauerstoff. Diese Therapie hilft auch bei Kohlenmonoxidvergiftungen, bei der Wundheilung, z.T. wohl auch bei Migräne. Bezahlt wird sie von der gesetzlichen Kasse aber für fast keine Indikation.

Die Kämpferin

Aber sie gibt nicht auf: Ihre Französisch-Lehrerin aus der 8./9. Klasse hat einmal zu mir gesag, sie sei „eine Kämpferin“. Das hat sich bewahrheitet. Sie ist zwar immer noch nicht die Allerdisziplinierteste (wer ist das schon mit 15?!). Aber sie will das Schuljahr unbedingt schaffen und tut etwas dafür. Sie will auch in Mathe wieder den Anschluss bekommen. Dabei ist sie sich bewusst, dass sie dafür mehr wird arbeiten müssen als sie das bisher in ihrer Schullaufbahn wohl jemals musste.

Das ist frustrierend – einerseits. Aber immerhin ist der ständige „Nebel“ im Kopf viel weniger geworden. Darauf hatten wir schon fast nicht mehr zu hoffen gewagt. Denn seit März hatten wir keine Verbesserung ihres Zustandes mehr gesehen. Umso mehr Respekt gebührt dieser Teenagerin aber für ihren Langmut und ihre Geduld mit sich selbst und uns. Wir waren oft zu ungeduldig mit ihr und haben wahrscheinlich Dinge von ihr verlangt, die sie schlicht nicht gut tun konnte. Weil ihr Kurzzeitgedächtnis beinträchtigt war, aber auch ihre Exekutivfunktionen (Fähigkeiten, zu planen/zu organisieren/sich selbst zu motiveren…).

Hyperbare Sauerstofftherapie – hoffentlich bald auf Rezept

Im Zentrum für Hyperbarmedizin in Hamburg können bis zu zwölf PatientInnen gleichzeitig behandelt werden. In ganz Deutschland gibt es aber nur zwölf solcher Zentren. Bisher wurden sie nicht so oft gebraucht… das muss sich ändern, damit Long-Covid-PatientInnen geholfen werden kann.

Wir sind sehr froh darüber, dass die hyperbare Sauerstofftherapie geholfen hat. Und wir hoffen sehr für alle Betroffenen, dass diese Therapieform möglichst bald als Standard anerkannt und bezahlt werden wird. Denn zurzeit muss man sie als gesetzlich Versicherter noch komplett privat tragen. Wenn – wie in unserer Familie – mehr als ein Kind (oder Erwachsener) aufgrund einer offenbar vorhandenen Disposition von Long Covid betroffen ist, ist das schwierig. Bei unserer Ältesten hat sich ihr Zustand zum Glück von selbst nach sechs Monaten wieder gebessert. Aber eigentlich bräuchte die Zweitälteste noch mehr Sitzungen dieser Therapie. Doch das ist sowohl organisatorisch (Therapie ist in Hamburg, sie muss bei Freunden wohnen, verpasst Schule) als auch finanziell schwierig. Wir hoffen im Moment noch darauf, dass unsere Krankenkasse im Rahmen einer Einzelfallentscheidung doch noch Kosten übernimmt.

Update: die Älteste – Durchhalten wird leichter

Meanwhile… die Älteste: Sie kämpft immer noch mit Prüfungsängsten. Nächste Woche kommt mal wieder eine von den verhassten Matheklausuren. Aber sie hat im letzten Jahr auch eine wirklich gute Entwicklung gemacht. Sie hat sich ein paar Techniken angeeignet, um damit umzugehen und ist insgesamt einfach erwachsener geworden. Die größte Motivation, durchzuhalten, ist jetzt, dass es nur noch wenige Monate sind. Dann kann sie zum ersten Mal selbst entscheiden, wie es weitergehen soll. Eine gewisse Form von Freiheit, die da auf sie wartet. (Da sie noch nicht volljährig sein wird, gibt es noch ein paar Einschränkungen). Dass sie diesen Zustand früher als die meisten ihrer Freundinnen und Freunde erreichen wird, ist auch nicht ganz unwichtig für sie.

In andere Rollen schlüpft die Älteste gern. Hier mit neuer Langhaar-Perücke.

Noten sind nicht so wichtig wie ihre Erfahrungen fürs Leben

Wir sind jedenfalls sehr stolz auf den Weg, den sie in den letzten Monaten zurückgelegt hat. Dass ihre Abi-Note nicht ihren Wünschen und Ansprüchen an sich selbst entsprechen wird, finden wir nicht schlimm. Sie braucht sie für das, was sie danach machen möchte (Kunst), wahrscheinlich kaum. Außerdem ist das, was sie in diesem Jahr über sich und andere gelernt hat viel wichtiger. Was sie schaffen, wie sie Schwierigkeiten überwinden, auf wen sie sich verlassen kann, was ihr hilft, womit es ihr gut geht, was oder wen sie nicht braucht… Das alles sind wichtige Erfahrungen.

Jetzt kommt natürlich noch der schwierigste Teil – die Abi-Klausuren. Aber sie hatte vor kurzem schon die ersten „Langzeitklausuren“ in den Fächern, die sie ins Abi nimmt. Und siehe da: Sie hat ganz überrascht festgestellt, dass sie nicht schwieriger, sondern nur länger sind. Sie hat dabei auch gemerkt, dass das u.U. sogar angenehmer sein kann, weil man sich besser organisieren kann und nicht gezwungen ist, alles so schnell wie irgend möglich zu Papier zu bringen. Trotzdem stresst es sie natürlich alles. Das wird wohl auch nach Weihnachten nochmal schlimm(er) werden, wenn es auf die Zielgerade geht. Aber wir sind sicher, dass sie das mit den Erfahrungen aus dem letzten Jahr bewältigen kann.

Update: die Jüngste – sie ist happy

Unsere Jüngste gibt es ja auch noch… Ihr geht es wie immer wohl am besten von allen. Sie ist gesund, sie hat Freundinnen, sie schreibt gute Noten bei den vielen, vielen Tests, die es hier in der dritten Klasse schon gibt… Sie möchte neuerdings sogar möglichst erst „spät“ aus dem Hort abgeholt werden. Sie scheint sich dort also wohlzufühlen.

ARD-Kinderradionacht war das Highlight ihrer Woche

Ihr Highlight diese Woche war die „ARD-Kinderradionacht“ gestern abend. Seit wir in Schweden wohnen, darf sie zu diesem Anlass immer ein Kind zum Übernachten einladen. Wir machen uns dann einen schönen Abend mit Basteln, Leuchtstäbchen, Snacks, Schminken… je nachdem. Gestern war das Thema „Verhext“, also Märchen. Das nahm sie zum Anlass, um ihr Zimmer märchenhaft zu dekorieren und sich selbst als Rotkäppchen zu verkleiden. Ganz süß!

Ein märchenhaftes Zimmer für die ARD-Kinderradionacht…

Mit ihrer Freundin hat sie nach dem Pizzaessen (was wir freitags immer haben, mein Mann hat seit dem ersten Lockdown noch in Deutschland seine Pizzabäckerfertigkeiten perfektioniert) Softeis selbst gemacht (kleine Tüte mit Sahne/Vanillezucker in großer Tüte mit Eiswürfeln und Salz geschüttelt) und mit Salzteig gebastelt. Außerdem haben sie natürlich ganz viel Radio gehört. Leicht frustriert waren die beiden nur, weil das Anrufen in der Sendung nicht geklappt hat. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass man da einfach nicht durchkommen kann – schließlich hörte man doch, dass die anderen durchkamen?!

Märchenhafte Bücher und Verkleidungen…

Update: alte, kranke Eltern

Tja, und mein Mann hat jetzt nächste Woche ziemlich viel Stress, weil ich nicht da sein werde und er arbeiten und alles andere erledigen muss. Hund, Kinder bringen und abholen, kochen, waschen, einkaufen, Hausaufgaben und Lernen für Tests betreuen, an diverse Termine denken und Kinder erinnern…

Aber meiner Mutter in Deutschland geht es gar nicht gut. Gesundheitlich und mental. Deshalb muss ich hin. Auch das ist eine Situation, in die viele Leute kommen, die im Ausland leben. Es ist immer eine Gratwanderung: Fährt man hin, fährt man nicht? Wie schlimm ist es? Hilft es überhaupt, wenn man nur ein paar Tage da sein kann? Ist die Einsamkeit danach nicht umso schlimmer? Ich denke, es ist sicher besser, wenigstens ein bisschen da zu sein als gar nicht. Meiner Familie und vor allem meinem Mann bin ich sehr dankbar, dass sie das alle mittragen und ermöglichen. Für meine Mama hoffe ich, dass es ihr gut tut und wieder etwas mehr Lebensmut und Zuversicht geben wird. Mal sehen.

Update: meine Reise – noch zwei Stunden

So, jetzt ist es draußen stockdunkel (17:30 Uhr) – eigentlich schon seit eineinhalb Stunden. Ich werde noch etwa zweieinhalb Stunden unterwegs sein. Die dänischen Züge sind sehr bequem – ganz großzügige Sitze, und vor allem: pünktlich! Es ist echt angenehm, diese Strecke zu fahren, auch der Snälltåget von Stockholm bis Kopenhagen ist immer absolut pünktlich (wenn auch nicht ganz so üppig was Platz angeht). Dann übernachte ich bei Freunden (auch denen bin ich sehr dankbar, dass sie mich schon wieder aufnehmen – denn bei ihnen hat neulich schon unsere Zweitälteste vier Wochen wohnen dürfen während ihrer Behandlung) und fahre morgen den Rest der Strecke.

Meine dicke Daunenjacke hat sich jetzt schon als viel zu warm erwiesen…

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