Magische Nordlichter

Sonntag, 8. Januar 2023 – Die Weihnachtsferien sind fast vorbei. Fünf Tage davon haben wir auf einer Reise nach Norrland verbracht: Ganz im Norden von Schweden, im Land der Samen, haben wir die Nordlichter gesucht und gefunden. Wir hatten großes Glück. Gleich zwei Mal an einem Abend haben wir sie erwischt.

Klimafreundliche Anreise im „Polarexpress“

Stapelliegen im Zug.

Wir sind mit dem Nachtzug die 1300km von Stockholm zur Abisko Turiststation gefahren. Er war komplett ausgebucht. Wir hatten zu sechst zwei 3er-Kabinen, jeweils ein Erwachsener mit zwei Kindern. Preis für uns alle zusammen: 680 Euro ein Weg. Vielleicht bin ich mittlerweile zu alt für sowas – aber ich fand es wirklich nicht sonderlich bequem…

Die Dreier-Stockbetten an sich waren ok. Ich hatte keine Rückenschmerzen davon – was ja für so mittelalte Leute wie mich schon gut ist! Aber es gibt nicht wirklich genug Platz für das Gepäck und für den „normalen“ Aufenthalt darin. Wenn man nicht gerade im Bett liegt und schläft, fragt man sich dauernd, wo man seine Beine unterbringen soll…

Das Gepäck-Puzzle.

Nur zwei Metallständer oben unter der Decke sind für Koffer oÄm vorgesehen, ansonsten bleibt etwas Platz unter dem untersten Bett (dafür sollte das Gepäckstück aber schön flach sein, große Wanderrucksäcke sind schon ein Problem) und hinter der Leiter, die zum obersten Bett führt. Da man seine Schuhe natürlich auch ausziehen muss (besonders im Winter, wenn man vom matschigen Draußen reinkommt), ist schnell der gesamte Boden belegt mit Schuhen und Gepäckstücken.

Abenteuerliche Darstellungen der Wirklichkeit

Wunsch und…
…Wirklichkeit der Speisen im Zug.

Mein Mann gab sich redlich Mühe, alles als „Abenteuer“ und „zum ersten Mal im Zug schlafen“ und was Besonderes für die Kinder zu verkaufen. Was es sicherlich auch irgendwie war. Aber wenn dann das Essen in der Broschüre so stark von der Wirklichkeit abweicht, dass man es fast nicht wiedererkennt? Dann wirken alle Verklärungsversuche nicht mehr sehr gut. Immerhin war der Zug auf der Hinfahrt pünktlich, hat alle Bahnhöfe angefahren und uns sicher an unseren Urlaubsort gebracht.

Abisko Turiststation

Eingang zur Turiststation in Abisko.

Die „Abisko Turiststation“ liegt etwa zwei Kilometer außerhalb des Dorfes Abisko. Sie besteht aus einer kleinen Jugendherberge/Hotel/Apartment-Anlage für ca. 300 Gäste. Hier gibt es einen kleinen Laden mit Wanderausrüstung und Lebensmitteln (frische sollte man allerdings im Dorf kaufen, zu Fuss ca. 20-30 Minuten je nach Wetterlage), ein Restaurant, in dem an morgens/mittags/abends zu vernünftigen Preisen essen kann (außer an Silvester – da kostet es unerklärlich viel). Es gibt z.B. mittags immer ein Buffet für ca. 15 Euro pro Nase, worin Suppe, Hauptgerichte, Salate sowie O-Saft, Wasser und Kaffee enthalten sind so viel man möchte. Es gibt immer auch vegetarische Varianten (bei vegan bin ich nicht ganz sicher) und auch Menschen mit Glutenunverträglichkeit finden immer genügend Auswahl. Abends muss man reservieren, ansonsten ist es „drop in“.

In so einer Haushälfte waren wir auch. Hier am Tag unserer Abreise – bei völlig klarer Sicht.

Wir hatten ein Apartment in einem der kleinen grauen Doppelholzhäuser gemietet. Das war zweckmäßig und praktisch ausgestattet. Wir hatten zwei Schlafzimmer in der oberen Etage: eins mit zwei Einzelbetten, eins mit zwei Stockbetten. Im Erdgeschoss gab es einen großen Wohn-Ess-Raum, der in die kleine Küchenzeile überging. Außerdem lag das Bad unten und ein Flur mit ausreichend Ablage/Aufhängemöglichkeiten für die vielen warmen Klamotten, die man hier einfach haben muss. Die Küchenausstattung war nicht so üppig, aber ok. Ein Messer war richtig scharf :-).

Ein scharfes Messer und ein sehr sicherer Herd

Sehr sicher war die Küche außerdem: Bevor wir das erste Mal den Herd angekriegt haben, bin ich erstmal zur Rezeption gestiefelt, weil das Ding einfach nicht heiß wurde. Stellte sich heraus, dass man extra auf einen kleinen Sicherheitsknopf drücken musste, der eine Zeitschaltuhr in Gang setzte, die dann für maximal 30 Minuten (jederzeit verlängerbar) den Herd freigab… sowas kannte ich noch nicht. Und wasfür ein Glück, dass das so war und ich den Knopf nicht einfach ausprobiert habe, wie es mein Sohn eigentlich tun wollte… aber dazu später.

Schlaraffenland für Süßmäuler im einzigen Supermarkt

Die „Süßwarenfabrik“ im Dorf Abisko, ca. 2km von der Abisko Turiststation entfernt.

Nach unserer Ankunft gegen Mittag sind wir erstmal in den einzigen Supermarkt in Abisko gegangen, um einzukaufen. Der Spaziergang tat nach der vielen Sitzer- und Liegerei gut. Natürlich kamen die Teenager nicht mit… Bewegung, Vitamine und Schule sind ja für solche Kreaturen generell nicht so gut. Aber unsere Jüngste ist wacker mitgelaufen – was sich auch sehr gelohnt hat für sie.

Massenhaft Süßes scheint man im Norden zu brauchen.

Denn der Supermarkt in Abisko nennt sich „Godisfabriken“, also „Süßigkeiten-Fabrik“… nomen est omen. Ungefähr die Hälfte der Verkaufsfläche ist ein normaler Supermarkt mit allem, was man so braucht und auch zu ganz normalen schwedischen Preisen. Selbst das Gemüse ist nicht teurer als hier in Stockholm. Die andere Hälfte der „Godisfabriken“ wird von riesigen Mengen an Süßigkeiten und süßen Getränken eingenommen. Wahnsinn… die Vielfalt an unterschiedlichen Geschmacksrichtungen bei „Monster“-Dosen (ein Energy-Drink) erreicht hier in der Großstadt vermutlich kein einziger Supermarkt. Unsere Jüngste hat sich also gleich eingedeckt mit einer Maxi-Packung Kaubonbons und einer Tüte Chips. Natürlich zum Selbertragen (und – essen).

kp-Index, Wolken und der Zufall

Während unserer Zugreise hatten wir uns natürlich auch schon mit den lebenswichtigen digitalen Zutaten für einen Ausflug nach Norrland versorgt: Apps, um die Nordlichter-Wahrscheinlichkeit an unserem Standort zu berechnen. Ich habe mich ganz ehrlich nicht genauer mit den physikalischen Hintergründen beschäftigt. Aber ich weiß jetzt, dass ein kp-Index von 2 bis 3 da oben hinter dem Polarkreis ausreicht, um gute Chancen zu haben, die „aurora borealis“ zu sehen. WENN es keine Wolken gibt… und das war eher der Knackpunkt bei uns. Normalerweise gibt es in Abisko wenig Wolken, weil sie von den Bergen im Westen an der Grenze zu Norwegen quasi festgehalten werden. Aber während unseres Aufenthalts hat da irgendwas nicht so gut geklappt. Jedenfalls war es ziemlich bewölkt, als wir ankamen.

Aaaaber die Wettervorhersage behauptete, dass der Himmel am Abend klar sein würde. Und die zwei Nordlichter-Apps, die wir installiert hatten, berechneten einen kp-Index von mindestens 3 wenn nicht 4… also hofften wir. Und dann kam uns der Zufall zur Hilfe. Oder meine vorsichtige Natur: Denn die allerersten Nordlicher meines Lebens erspähte ich, als ich mich auf den Weg zur Rezeption machte, weil der Herd nicht funktionierte! Hätte ich den kleinen Knopf einfach gedrückt, wären wir wohl an diesem Abend nicht mehr rausgegangen, sondern hätten versucht, die Lichter vom Fenster aus zu sehen – und hätten sie im Zweifel übersehen. Denn sie wandern hoch über den Himmel, so dass man sich manchmal ein bisschen mitbewegen muss. Und Lampen im hellerleuchteten Zimmer helfen auch nicht, sie zu erkennen.

Nordlichter fotografieren ist was für Profi(kamera)s

Eines der ersten Nordlichter, die ich gesehen habe.

Aber dem gut gesicherten Herd sei Dank habe ich sie gesehen und natürlich direkt Bescheid gesagt. Das Essen wurde verschoben, und als ich zurückkam, standen schon alle gestiefelt und gespornt auf dem Weg vor unserer Unterkunft und guckten nach oben. Einige Minuten dauerte das Schauspiel. Nur mein Mann hatte mit dem Rausscheuchen der Kinder noch so viel zu tun, dass er es nicht so richtig mitgekriegt hat. Sein Handy nahm die Lichter auch nicht so gut auf wie meines. Unsere neue Kamera schaffte es gar nicht. Ich gebe zu, da hatte ich völlig vergessen, mich einzulesen. So sind unsere Erinnerungsfotos jetzt zwar viele, aber sie sind längst nicht so phänomenal wie sie von guten Fotografen mit Stativen und den richtigen Kameraeinstellungen wären… schon eine bessere Handykamera wäre hilfreich gewesen. Aber gut. Am wichtigsten sind die Erinnerungen selbst.

Wir liefen mit den Kindern noch einen sehr dunklen und zum Teil vereisten Weg zum See Torneträsk hinunter. Dort sollte man die Lichter besonders gut sehen. Allerdings waren wir noch keine Profis und wussten nicht, dass es oft wirklich nur ein paar Minuten sind, in denen sie sich zeigen. Kurz: Unten angekommen sahen wir gar nichts mehr. Dass der Mond sehr hell schien, hat nicht geholfen. Aber es war wohl einfach vorbei, als wir ankamen.

Wir sind also nach relativ kurzer Zeit zurückgelaufen und haben endlich unser traditionelles „erster Urlaubsabend-Essen“ (Spaghetti mit Tomatensauce) gekocht und uns sehr gefreut, dass der größte Wunsch an unsere Reise schon am ersten Abend in Erfüllung gegangen war. Auch wenn es nur kurz gewesen war.

Ein überraschender Tanz

Weil mein Mann so wenig davon mitbekommen hatte, beobachtete er weiter seine App und den Weg vor unserem Haus, um zu sehen, ob Leute draußen seien. Er wollte nach dem Essen unbedingt noch einmal raus, und als nette Ehefrau habe ich ihn natürlich begleitet. Wir liefen ein paar Schritte durch die kleine Ferienhaussiedlung am Jugendherbergsgebäude vorbei bis zur Ecke des Hauptgebäudes, in dem Hotel, Rezeption, Laden und Restaurant untergebracht sind.

Da ging es plötzlich wieder los: Eine Frau zeigte Richtung Hausfirst – und richtig, da war ein heller, grünlicher Streifen am Himmel darüber zu sehen. Durch die Handykamera noch besser als mit bloßem Auge. Ich war zunächst sicher, dass es dabei bleiben würde. Wer konnte schon erwarten, so viel Glück zu haben, gleich zwei Mal an einem Abend die Nordlichter zu sehen? Aber es ging weiter: An immer mehr Stellen am Himmel erschienen Streifen oder Flecken und verwandelten sich permanent in neue Formen. Ich habe endlich verstanden, warum man manchmal liest, dass Nordlichter „tanzen“: Manchmal entsteht ein Streifen, der sich in eine Spirale dreht, auf der kleine Lichtpunkte von einer Stelle zur nächsten zu hüpfen scheinen. Sie sehen ein bisschen aus wie kleine Kerzenflammen, die von einem Punkt zum nächsten springen.

Am schönsten sehen kann man die Nordlichter auf Fotos, die einen Bezugspunkt, wie z.B. den Baum hier, haben. Einfach am Himmel wirken sie durch ihre Bewegung auf Fotos sonst sehr unscharf und ihre Größe ist nicht erkennbar.

Doppeltes Glück an einem Abend

Wir haben natürlich wieder den Kindern Bescheid gesagt und alle sind noch einmal herausgekommen und haben sich das Schauspiel angesehen. So war der erste Abend gleich das Highlight der ganzen Reise. Zwei Mal Nordlicher sehen! Am dritten Tag hatten wir zwar sogar noch einen kp-Index von 4 und eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass der „Norrsken“ („Nordschein“) – wie ihn die Schweden nennen – auftaucht. Aber der Himmel war voller Schneewolken. Sicht = Null. War uns aber ganz egal :-).

Der Rest des Kurzurlaubs ist schnell erzählt: An Silvester sind wir für zu viel Geld essen gegangen (nicht weil wir so ein exklusives Restaurant ausgesucht hätten, nein… einfach in dem Restaurant der Turiststation; es war nur wegen Silvester besonders teuer…). Wir hatten einen komplett unerfahrenen, aber sehr sympathischen Kellern (der Verkäufer, der normalerweise im Lädchen dort arbeitet). Unser Hauptgericht war – wie könnte es anders sein? – Köttbullar. Diesmal vom Elch. Im Zug waren sie vom Rentier gewesen. Ein bisschen einfallslos ist das schon, finde ich. Kann es in Schweden nicht auch mal was anderes als Köttbullar mit Kartoffelbrei geben? Aber sie waren lecker (zumindest die an Silvester).

Ein Natur-Museum mit Bibliothek

Tagsüber haben wir das „naturum“ angeschaut. Das ist ein kleines Museum direkt auf der „Abisko Turiststation“, das zum Naturschutzgebiet um Abisko herum gehört. Es ist wie alle schwedischen Museen sehr gut für Kinder geeignet und angenehm übersichtlich in der Größe. Wer im Sommer kommt und sich für Flora und Fauna interessiert, findet hier sogar eine kleine Bibliothek mit vielen Büchern über die einheimische Tier- und Pflanzenwelt. Gewundert habe ich mich ein bisschen, dass sie dort allerdings keinerlei Kinderbücher über die samische Kultur anboten (hier gibt es aber ein paar Tips zu Jugendbüchern mit samischen HeldInnen – alle Bücher sind auf Schwedisch). Denn das Land hier – Sapmí auf samisch – ist ja das „Kernland“ dieser nordeuropäischen Ureinwohner (hier ein interessanter Artikel über sie). Jokkmokk, ein paar Kilometer weiter südlich, ist das kulturelle Zentrum der schwedischen Samen.

Spart Euch die Schneemobil-Tour

Nicht sehr spektakulär – dafür teuer.

An unserem dritten Tag hatten wir eine Schneemobil-Tour gebucht. Seit der Covid-Pandemie gibt es keine Anbieter von Schlittenhund-Touren mehr in Abisko direkt, nur in Kiruna. Aber das war uns zu weit und zu teuer. Auch wenn ich das lieber gemacht hätte. In der Rückschau würde ich nun auch sagen: Macht keine Schneemobiltour, das lohnt sich nicht. Jedenfalls nicht, wenn da eine Horde „Selbstfahrer“ dabei ist, zu der ihr nicht gehört. Es geht u.U. sehr langsam vorwärts (bei uns hat es z.T. stark geschneit), man kommt nicht weit und sieht möglicherweise nicht viel: Wenn man die Tour um 14 Uhr bucht, braucht es locker bis 14:45 Uhr bis man tatsächlich losfährt – da wird es gerade schon wieder dunkel. Und vorher ist es auch nicht das, was man bei uns als „taghell“ bezeichnen würde. Ich hatte wirklich gedacht, wir würden eine relativ weite Strecke in die Berge hinein fahren, aber das war weit gefehlt. Kurz: Hätten wir uns sparen können. Ich weiß nicht, ob die Hundeschlittentouren besser sind, aber meine Hoffnung wäre es…

Schöne kleine Wege ab der Turiststation

Sehr schön sind sind jedoch die kleinen (und sicher auch die größeren) Wanderungen um die Turiststation herum. Die lohnen sich an Tagen mit guter Sicht sehr. Wir haben zwei der kürzeren Wege am Tag unserer Abreise ausprobiert. Da unser Zug erst am späten Nachmittag fuhr, hatten wir noch viel Zeit, um nach dem Auschecken in der Lobby rumzuhängen, Postkarten zu schreiben und eben spazieren zu gehen. Von der Turiststation gehen verschiedene Wege los in Richtung Berge und zum See Torneträsk. Sie sind gut ausgeschildert und man muss nicht gleich den „Kungsleden“, den längsten und wohl bekanntesten Wanderwegs Schwedens gehen, der hier beginnt. Man kann auch auf kurzen Strecken viel sehen. Ein Weg führt zu einem Beobachtungsposten für Vogel-Fans:

Zu diesem Vogelbeobachtungs-Häuschen darf man in der Brutzeit im Frühling nicht gehen. Aber jetzt gab es eine tolle Aussicht über den See Torneträsk zu den Bergen auf der anderen Seite.
Eine traditionelle samische Vorratshütte.

Bereits am Tag zuvor hatten wir uns ein kleines samisches „Camp“ angesehen, in dem man verschiedene samische Hütten für die Aufbewahrung von Ausrüstung und Essensvorräten kennenlernen kann.

Überraschend interessantes „Verteidigungsmuseum“

Ganz zufällig bin ich am letzten Tag auch noch über das kleine „Grenzverteidigungsmuseum“ gestolpert: Eine kleine Hütte, die zwar geschlossen war, aber an der außen mehrere Tafeln mit interessanten Informationen über die wichtige strategische Lage der Gegend angebracht sind. Seitdem weiß ich z.B., dass die Straße, die durch Abisko an der Bahntrasse entlang Richtung Norwegen führt, erst Ende der 1970er Jahre gebaut wurde. Gegen den Widerstand von Samen, Naturschützern und dem Militär. Die Regierung setzte sie zwar irgendwann durch, musste aber dafür sorgen, dass unter der Straße Hohlräume eingebaut wurden, um sie notfalls sprengen zu können… falls die gefährlichen Norweger einfallen (oder eher die Russen). Außerdem musste die Straße an der Bahnlinie entlang verlaufen, damit die Verteidigung dieses Landesteils nicht noch komplizierter wurde.

Erst Ende der 1970er wurde die Straße an Abisko vorbei bis Norwegen gebaut – das Militär war dagegen. Denn die Gegend ist strategisch wichtig.

Samische Kunst

Links das traditionelle Leben der Samen mit ihren Tieren. Oben die Mitternachtssonne und die Nordlichter.

Auch an einem samischen Kunstwerk bin ich noch vorbeikommen auf meinem Spaziergang am letzten Tag: In einer Unterführung hat die samische Künstlerin Annika Waara Rentiere und den Fluss, der hier in den See fliesst, verewigt, ebenso wie die Nordlichter und die Mitternachtssonne. Dazu gibt es samische Gesänge zu hören, die Simon Marainen extra dafür komponiert hat.

Ein echtes Abenteuer zum Schluss

Unser Zug zurück kam dann wieder ganz pünktlich – allerdings vergass man, uns eine durchaus wichtige Information schon beim Einsteigen mitzuteilen. Deshalb waren wir sehr überrascht, als wir am nächsten Tag um 8 Uhr morgens mit der Durchsage geweckt wurden, wir seien leider „sehr verpätet“… Es stellte sich heraus, dass wir ca. vier Stunden hinter unserem Zeitplan lagen, weil auf der Küstenstrecke ein Güterzug entgleist und wir über das Landesinnere umgeleitet worden waren. Das Unglück war allerdings schon am Tag vorher mittags passiert (also bevor wir eingestiegen waren)… und die Leute, die an Bahnhöfen an der Küste aussteigen wollten, hätten vermutlich gern Bescheid gewusst. Sie bekamen dann Taxis bestellt und wurden so zu ihren Zielorten befördert.

Wir waren allerdings sehr froh, dass unser Zug selbst nicht entgleist ist, wir es trotz kaputtem Rollo geschafft haben, zu schlafen, und dass die Heizung funktionierte, auch wenn wir raten mussten, wie sie einzustellen war, weil der zugehörige Knopf falsch montiert war… Schließlich kamen wir statt um 9:30 Uhr gegen 14:30 Uhr in Stockholm an. Zum Schluss also noch ein echtes Abenteuer!


—- Noch ein kleiner praktischer Hinweis zum Schluss: „Pannlampor“, also Taschenlampen für den Kopf, sollten zur Grundausrüstung für eine Reise nach Norrland gehören! Und über unsere Sorel-Schuhe und doppelte dicke Socken darin waren wir auch sehr glücklich… —-

Familien-update

Zug Stockholm – Hamburg, 26. November 2022: Ich bin auf dem Weg nach Deutschland. Schon wieder. Vor sieben Wochen habe ich unsere Zweitälteste nach Hamburg gebracht. Dort hat sie eine vierwöchige Behandlung gegen ihre Long-Covid-Symptome bekommen (hyperbare Sauerstofftherapie wirkt! wer mehr wissen möchte: hier eine Studie auf Englisch , hier die Zusammenfassung auf deutsch). Jetzt fahre ich, um meine Mutter zu besuchen, der es nicht gut geht. Zeit für ein Update darüber, wie es uns allen geht.

Auf dem Weg von Stockholm nach Hamburg hatte ich zwei Stunden Aufenthalt in Kopenhagen. Genug für einen kleinen Stadtrundgang und Mittagessen. Hier: Der Tivoli ist weihnachtlich geschmückt.

Der Countdown für Schweden läuft

Zuhause in Stockholm (ja, so heißt das jetzt) sind unsere Kinder-Geburtstage dieser Jahreszeit alle vorbei. Zu dem meines Mannes will ich rechtzeitig wieder zurück sein. Noch drei Wochen bis Weihnachten – und dann ist auch schon das vorletzte Schulhalbjahr an der Tyskaskolan vorbei. Dann sind es nur noch sieben Monate in Schweden… Ich habe ziemlich gemischte Gefühle dabei.

Update: Sohn – er hat wieder Kopf- und Bauchweh

Wie geht es uns zurzeit? Eigentlich bin ich im Großen und Ganzen ziemlich zufrieden. Einzig unser Sohn macht uns nach wie vor Sorgen. Nachdem er im Sommer kaum Kopf- und Bauchschmerzen hatte, und auch die ersten Wochen im neuen Schuljahr ziemlich entspannt war, sind sie jetzt sei einigen Wochen wieder zurück. Selbst in den Herbstferien gingen sie nicht weg und bleiben auch die ganze Zeit relativ stark und gleichbleibend schlimm.

Wir haben kurz versucht, ihn histamin- und fructosefrei zu ernähren. Dass er Fructose nicht gut verträgt ist gesichert seit einem Test mit fünf oder sechs Jahren… Aber es gab gar keinen Effekt, obwohl er sich wirklich gut dran gehalten hat. Deshalb haben wir es wieder gelassen. Ein erneuter Arztbesuch vor zwei Wochen im schwedischen Vårdcentral (Ärtehaus – wie der Hausarzt bei uns) zog einen Blut-und Urintest nach sich. Die Ergebnisse sind mir bis heute nicht mitgeteilt worden. Eigentlich sollte – bei Ergebnislosigkeit – auch eine Überweisung zum Kinderarzt ausgestellt werden. Aber bis heute habe ich auch davon nichts mehr gehört. Es ist wie immer, wenn man hier zum Arzt geht… ziemlich frustrierend. Weil man schon halbtot sein muss, damit die mal in die Gänge kommen, hat man den Eindruck. Und das, obwohl dieses Kind jetzt wirklich seit Wochen nur noch mit Schmerztabletten in die Schule geht…

Endlich ein Smartphone!

Ein wichtiger Geburtstag in unserer Familie: Mit 12 bekommt man ein Smartphone.

Seiner guten Laune tut das zum Glück (und erstaunlicherweise) nicht unbedingt Abbruch. Er ist immer wieder – zumindest zuhause – sehr fröhlich, hat sich wahnsinnig auf seinen 12. Geburtstag gefreut Ende November. Auch wenn er ihn nicht mit Gleichaltrigen feiern wollte, weil er – sehr klar – sieht, dass er keine richtigen Freunde in seiner Klasse hat.

Aber immerhin hat er nun etwas, auf das er nach eigener Aussage zwischen sieben und zwölf Jahren gewartet hat: ein Smartphone! Damit hat er gleich am Geburtstag lange mit einem alten Freund aus Kindergartentagen telefoniert . Und einen Tag später mit einem aus seiner alten Grundschulklasse… Warum das mit dem Smartphone wesentich längere Gespräche waren als jemals mit seinem normalen Handy – keine Ahnung.

Da ist das gute Stück…

Kontakte wieder aufleben lassen – eine gute Vorbereitung

Jedenfalls haben ihn diese Kontakte glücklich gemacht. Auch weil sie gute Vorboten für den Rückzug nach Berlin sein könnten. Der Junge aus der Grundschulklasse geht auf die weiterführende Schule, auf die auch unser Sohn gehen möchte. Und der andere wohnt wenigstens in der Nähe von Berlin. Wenn wir zurück sind, sind die beiden so groß, dass sie auch mal allein in die S-Bahn steigen und sich besuchen können. Er bereitet also seine Rückkehr ganz gut vor…

Update: Wetter – Schneechaos am Geburtstag

Sein Geburtstagsessen im Restaurant mussten wir allerdings verschieben. Denn ausgerechnet an dem Tag kam der große Wintereinbruch, und wir hatten noch unsere Sommerreifen drauf. Es waren Massen von Schnee!

Kein Durchkommen auf unserer Dachterrasse – und die Hoffnung, dass das Flachdach drumherum gut konstruiert ist…

Wir hatten ja schon viel Schnee im ersten Jahr hier, aber DAS jetzt war – auch nach Aussagen von schwedischen Nachbarn – wirklich äußerst ungewöhnlich viel… Es schneite von Sonntag mittag bis Montag abend durch – unsere Dachterrasse lag unter ca. 60cm Schnee, ebenso unser Flachdach, was uns tatsächlich erstmals etwas Sorgen gemacht hat. Ab Dienstag taute es dann allerdings kontinuierlich bei 2 Grad, so dass jetzt – eine Woche später – fast alles wieder weg ist. Unseren Restaurant-Besuch werden wir nachholen, wenn ich wieder zurück von meiner Reise bin.

Update: Zweitälteste – es geht ihr besser!

Richtig glücklich macht uns, dass die Behandlung unserer Zweitältesten wegen Long-Covid eine deutliche Verbesserung für sie gebracht hat. Ihre Kopfschmerzen sind besser, ihre Müdigkeit ebenso, und sie kann sich auch wieder länger konzentrieren. Es ist immer noch nicht wieder alles wie vorher, weshalb wir auch in der Schule um einen Nachteilsausgleich kämpfen. Aber es ist eine sehr positive Entwicklung. Doch so schön das ist, es gab auch schon Tränen. Sie hat gesagt, dass ihr erst jetzt bewusst geworden sei, was sie verloren habe. Mathe z.B. fiel ihr früher immer extrem leicht. Jetzt hat sie im letzten Jahr viel verpasst (ca. 40 bis 50% des Schuljahres) und hatte in der ersten Klausur eine sehr schlechte Note. Das kratzt an ihrem Selbstwertgefühl, weil sie immer stolz darauf gewesen ist, dass sie gut in den Naturwissenschaften war.

Unsere Zweitälteste in der Druckkammer beim „Tauchgang“: Der Druck wird so stark erhöht, als befände man sich etwa 10m unter der Meeresoberfläche. Während der hyperbaren Sauerstofftherapie atmen die PatientInnen durch eine Maske 100%igen Sauerstoff. Diese Therapie hilft auch bei Kohlenmonoxidvergiftungen, bei der Wundheilung, z.T. wohl auch bei Migräne. Bezahlt wird sie von der gesetzlichen Kasse aber für fast keine Indikation.

Die Kämpferin

Aber sie gibt nicht auf: Ihre Französisch-Lehrerin aus der 8./9. Klasse hat einmal zu mir gesag, sie sei „eine Kämpferin“. Das hat sich bewahrheitet. Sie ist zwar immer noch nicht die Allerdisziplinierteste (wer ist das schon mit 15?!). Aber sie will das Schuljahr unbedingt schaffen und tut etwas dafür. Sie will auch in Mathe wieder den Anschluss bekommen. Dabei ist sie sich bewusst, dass sie dafür mehr wird arbeiten müssen als sie das bisher in ihrer Schullaufbahn wohl jemals musste.

Das ist frustrierend – einerseits. Aber immerhin ist der ständige „Nebel“ im Kopf viel weniger geworden. Darauf hatten wir schon fast nicht mehr zu hoffen gewagt. Denn seit März hatten wir keine Verbesserung ihres Zustandes mehr gesehen. Umso mehr Respekt gebührt dieser Teenagerin aber für ihren Langmut und ihre Geduld mit sich selbst und uns. Wir waren oft zu ungeduldig mit ihr und haben wahrscheinlich Dinge von ihr verlangt, die sie schlicht nicht gut tun konnte. Weil ihr Kurzzeitgedächtnis beinträchtigt war, aber auch ihre Exekutivfunktionen (Fähigkeiten, zu planen/zu organisieren/sich selbst zu motiveren…).

Hyperbare Sauerstofftherapie – hoffentlich bald auf Rezept

Im Zentrum für Hyperbarmedizin in Hamburg können bis zu zwölf PatientInnen gleichzeitig behandelt werden. In ganz Deutschland gibt es aber nur zwölf solcher Zentren. Bisher wurden sie nicht so oft gebraucht… das muss sich ändern, damit Long-Covid-PatientInnen geholfen werden kann.

Wir sind sehr froh darüber, dass die hyperbare Sauerstofftherapie geholfen hat. Und wir hoffen sehr für alle Betroffenen, dass diese Therapieform möglichst bald als Standard anerkannt und bezahlt werden wird. Denn zurzeit muss man sie als gesetzlich Versicherter noch komplett privat tragen. Wenn – wie in unserer Familie – mehr als ein Kind (oder Erwachsener) aufgrund einer offenbar vorhandenen Disposition von Long Covid betroffen ist, ist das schwierig. Bei unserer Ältesten hat sich ihr Zustand zum Glück von selbst nach sechs Monaten wieder gebessert. Aber eigentlich bräuchte die Zweitälteste noch mehr Sitzungen dieser Therapie. Doch das ist sowohl organisatorisch (Therapie ist in Hamburg, sie muss bei Freunden wohnen, verpasst Schule) als auch finanziell schwierig. Wir hoffen im Moment noch darauf, dass unsere Krankenkasse im Rahmen einer Einzelfallentscheidung doch noch Kosten übernimmt.

Update: die Älteste – Durchhalten wird leichter

Meanwhile… die Älteste: Sie kämpft immer noch mit Prüfungsängsten. Nächste Woche kommt mal wieder eine von den verhassten Matheklausuren. Aber sie hat im letzten Jahr auch eine wirklich gute Entwicklung gemacht. Sie hat sich ein paar Techniken angeeignet, um damit umzugehen und ist insgesamt einfach erwachsener geworden. Die größte Motivation, durchzuhalten, ist jetzt, dass es nur noch wenige Monate sind. Dann kann sie zum ersten Mal selbst entscheiden, wie es weitergehen soll. Eine gewisse Form von Freiheit, die da auf sie wartet. (Da sie noch nicht volljährig sein wird, gibt es noch ein paar Einschränkungen). Dass sie diesen Zustand früher als die meisten ihrer Freundinnen und Freunde erreichen wird, ist auch nicht ganz unwichtig für sie.

In andere Rollen schlüpft die Älteste gern. Hier mit neuer Langhaar-Perücke.

Noten sind nicht so wichtig wie ihre Erfahrungen fürs Leben

Wir sind jedenfalls sehr stolz auf den Weg, den sie in den letzten Monaten zurückgelegt hat. Dass ihre Abi-Note nicht ihren Wünschen und Ansprüchen an sich selbst entsprechen wird, finden wir nicht schlimm. Sie braucht sie für das, was sie danach machen möchte (Kunst), wahrscheinlich kaum. Außerdem ist das, was sie in diesem Jahr über sich und andere gelernt hat viel wichtiger. Was sie schaffen, wie sie Schwierigkeiten überwinden, auf wen sie sich verlassen kann, was ihr hilft, womit es ihr gut geht, was oder wen sie nicht braucht… Das alles sind wichtige Erfahrungen.

Jetzt kommt natürlich noch der schwierigste Teil – die Abi-Klausuren. Aber sie hatte vor kurzem schon die ersten „Langzeitklausuren“ in den Fächern, die sie ins Abi nimmt. Und siehe da: Sie hat ganz überrascht festgestellt, dass sie nicht schwieriger, sondern nur länger sind. Sie hat dabei auch gemerkt, dass das u.U. sogar angenehmer sein kann, weil man sich besser organisieren kann und nicht gezwungen ist, alles so schnell wie irgend möglich zu Papier zu bringen. Trotzdem stresst es sie natürlich alles. Das wird wohl auch nach Weihnachten nochmal schlimm(er) werden, wenn es auf die Zielgerade geht. Aber wir sind sicher, dass sie das mit den Erfahrungen aus dem letzten Jahr bewältigen kann.

Update: die Jüngste – sie ist happy

Unsere Jüngste gibt es ja auch noch… Ihr geht es wie immer wohl am besten von allen. Sie ist gesund, sie hat Freundinnen, sie schreibt gute Noten bei den vielen, vielen Tests, die es hier in der dritten Klasse schon gibt… Sie möchte neuerdings sogar möglichst erst „spät“ aus dem Hort abgeholt werden. Sie scheint sich dort also wohlzufühlen.

ARD-Kinderradionacht war das Highlight ihrer Woche

Ihr Highlight diese Woche war die „ARD-Kinderradionacht“ gestern abend. Seit wir in Schweden wohnen, darf sie zu diesem Anlass immer ein Kind zum Übernachten einladen. Wir machen uns dann einen schönen Abend mit Basteln, Leuchtstäbchen, Snacks, Schminken… je nachdem. Gestern war das Thema „Verhext“, also Märchen. Das nahm sie zum Anlass, um ihr Zimmer märchenhaft zu dekorieren und sich selbst als Rotkäppchen zu verkleiden. Ganz süß!

Ein märchenhaftes Zimmer für die ARD-Kinderradionacht…

Mit ihrer Freundin hat sie nach dem Pizzaessen (was wir freitags immer haben, mein Mann hat seit dem ersten Lockdown noch in Deutschland seine Pizzabäckerfertigkeiten perfektioniert) Softeis selbst gemacht (kleine Tüte mit Sahne/Vanillezucker in großer Tüte mit Eiswürfeln und Salz geschüttelt) und mit Salzteig gebastelt. Außerdem haben sie natürlich ganz viel Radio gehört. Leicht frustriert waren die beiden nur, weil das Anrufen in der Sendung nicht geklappt hat. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass man da einfach nicht durchkommen kann – schließlich hörte man doch, dass die anderen durchkamen?!

Märchenhafte Bücher und Verkleidungen…

Update: alte, kranke Eltern

Tja, und mein Mann hat jetzt nächste Woche ziemlich viel Stress, weil ich nicht da sein werde und er arbeiten und alles andere erledigen muss. Hund, Kinder bringen und abholen, kochen, waschen, einkaufen, Hausaufgaben und Lernen für Tests betreuen, an diverse Termine denken und Kinder erinnern…

Aber meiner Mutter in Deutschland geht es gar nicht gut. Gesundheitlich und mental. Deshalb muss ich hin. Auch das ist eine Situation, in die viele Leute kommen, die im Ausland leben. Es ist immer eine Gratwanderung: Fährt man hin, fährt man nicht? Wie schlimm ist es? Hilft es überhaupt, wenn man nur ein paar Tage da sein kann? Ist die Einsamkeit danach nicht umso schlimmer? Ich denke, es ist sicher besser, wenigstens ein bisschen da zu sein als gar nicht. Meiner Familie und vor allem meinem Mann bin ich sehr dankbar, dass sie das alle mittragen und ermöglichen. Für meine Mama hoffe ich, dass es ihr gut tut und wieder etwas mehr Lebensmut und Zuversicht geben wird. Mal sehen.

Update: meine Reise – noch zwei Stunden

So, jetzt ist es draußen stockdunkel (17:30 Uhr) – eigentlich schon seit eineinhalb Stunden. Ich werde noch etwa zweieinhalb Stunden unterwegs sein. Die dänischen Züge sind sehr bequem – ganz großzügige Sitze, und vor allem: pünktlich! Es ist echt angenehm, diese Strecke zu fahren, auch der Snälltåget von Stockholm bis Kopenhagen ist immer absolut pünktlich (wenn auch nicht ganz so üppig was Platz angeht). Dann übernachte ich bei Freunden (auch denen bin ich sehr dankbar, dass sie mich schon wieder aufnehmen – denn bei ihnen hat neulich schon unsere Zweitälteste vier Wochen wohnen dürfen während ihrer Behandlung) und fahre morgen den Rest der Strecke.

Meine dicke Daunenjacke hat sich jetzt schon als viel zu warm erwiesen…

Radtour durch Stockholm

30.10.2022 – Herrliches Herbstwetter, Lust auf Neues und Bewegungsdrang = Radtour! Es gab noch nicht so viele Gelegenheiten, eine Radtour durch Stockholm aus meinem schwedischen Städteführer zu machen. Hauptsächlich weil unsere Jüngste noch nicht so weit fahren kann. Aber gestern sind wir Eltern allein und mit E-bikes losgezogen. Die Tour führte uns 34km von Lidingö über Danderyd nach Edsberg Slott. Wir fuhren zunächst am sonnigen Ostufer des Edsviken – einem Arm der Ostsee – entlang. Zurück ging es am westlichen Ufer. Dort kamen wir am königlichen Ulriksdal Slott mit seiner Gärtnerei und dem schönen „Trädgårdscafé“ vorbei und kehrten natürlich ein.

Anfangs führt die Route kurz an einer Autobahn entlang – da sind die Schweden ja sehr pragmatisch.

Die Strecke von Lidingö bis Danderyd führt zunächst durch Norra Djurgården, dann kurz an der Autobahn entlang, weil man irgendwie nach Danderyd hinüberkommen muss.

Mehr Ausblicke vom Rad

Die Eisenbahnbrücke verläuft etwas tiefer als die für Autos und Radfahrer.

Da Brücken teuer zu bauen sind, hängt der Fahrradweg dann eben an der Autobahn mit dran, nur die Eisenbahn hat eine eigene Brücke bekommen. Wenn man mit dem Rad unterwegs ist, kann man immerhin den Blick auf den Meeresarm genießen, den man aus dem Auto nie zu sehen bekommt.

Nette Häuschen hier.

Sobald man in Danderyd ist, führt der Weg durch Wohnsiedlungen. Die Lage hier gilt als eine der besten (und teuersten) der Stadt. Nicht wenige Häuser besitzen einen eigenen Strand und Bootsanleger.

Sobald man unten am Wasser des Edsvik angekommen ist, sollte man bei Sonne eine kleine Kaffeepause einlegen. Den Kaffee muss man sich allerdings mitbringen oder doch noch eine Weile weiterfahren bis Edsberg Slott.

Am Weg entlang finden sich regelmäßig Bänke an den schönsten Stellen.

Zum Teil ist der Weg etwas eng für Radfahrer plus Spaziergänger. Aber da hier nicht so viele Leute unterwegs sind wie in „downtown Stockholm“, gibt es doch kein Gedränge.

Schlösser gibt es in Schweden überproportional viele

Folgt man dem Weg am Ufer des Edsvik weiter, kommt man an seinem Ende zu einem größeren Gehöft mit Herrenhaus (das sich etwas großspurig „Slott Edsberg“, also Schloss Edsberg, nennt). In den alten Stall- und Wirtschaftsgebäuden (im Bild unten die Gebäudeansammlung rechts) sind ein Café mit schönster Aussicht und ein Kulturzentrum zu finden. Sogar eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Ortes findet sich auf dem großen Hof zwischen den langgestreckten Häusern.

Café auf der Anhöhe über dem Edsvik.
Schloss Edsberg (links) mit dem zugehörigen Gehöft, wo das Café liegt (rechts).
Blick vom Hof zwischen den alten Wirtschaftsgebäuden auf den Edsvik. Rechts in dem Haus ist ein Café.

Auf der westlichen Seite des Edsvik begann unser Rückweg. Dort war es zu dieser Jahreszeit nicht mehr sehr sonnig, so dass es auch rasch kühler wurde. Doch die Aussicht auf ein spätes Mittagessen in Ulriksdal hielt uns bei der Stange.

Ulriksdal Slott kann sich schon eher als Schloss bezeichnen…
Hier fand im Park – überraschend für uns – ein „höst marknad“ (Herbstmarkt) statt. Es war viel los!

Doch wir wollten ins „Gartencafé“ (trädgårdcafe) in den Gewächshäusern. Die sind ein paar hundert Meter vom Schloss entfernt. Wir waren früher schon einmal hier, um Pflanzen zu kaufen. Damals waren wir die schwedischen Preise noch nicht gewöhnt… Ehrlich gesagt war ich von diesen so entsetzt, dass ich weitere Ambitionen im Hinblick auf den Garten hier in Schweden völlig ad acta gelegt habe. Zu teuer. Außerdem verbietet unser Mietvertrag uns, gestaltend in den Garten einzugreifen. Also haben wir es hier schlicht beim Rasenmähen belassen.

Alles hübsch, aber sehr teuer…

Doch das Café wollten wir dieses Mal unbedingt ausprobieren. Zwar mussten wir recht lange in der Schlange warten, aber es hat sich gelohnt. Die schwedischen Kuchen sind unserer Erfahrung nach für deutsche Gaumen überwiegend süß – und unterscheiden sich ansonsten vor allem in der Deko.

Aber das Mittagessen (ein vegetarisches Curry mit Erdnüssen) war gut und man sitzt sehr hübsch in den Gewächshäusern.

Im Trädgårdscafe von Ulriksdal.

Gestärkt machten wir uns auf den Rest des Rückwegs – allerdings verfolgten wir hier nicht die Tour aus dem oben erwähnten Buch. Denn darin war die ganze Radtour durch Stockholm nicht als Rundweg angelegt. Auf google maps wurde uns aber ein Weg am Wasser entlang angezeigt, also fuhren wir drauflos. Das war keine gute Idee!

Google maps trügt manchmal

Zwischen Ulriksdal Slott und der Brücke, die uns wieder von Danderyd herunter führen sollte, wurde der Weg für unsere Räder nämlich streckenweise fast nicht passierbar. Wir mussten schieben. Das ist mit einem sehr schweren Transport-E-bike wie meinem nicht unbedingt leicht. Vor allem bergauf. Zum Glück waren es nur einige hundert Meter, die so beschwerlich waren.

Große Steine und Baumwurzeln und viel Auf und Ab machten diesen Weg abenteuerlicher als erhofft.

Insgesamt waren wir auf unserer Radtour durch Stockholm in gemütlichem Tempo und mit vielen Foto-Pausen, reichlich Zeit für Fika (Kaffeetrinken), Mittagessen und Rumgucken ungefähr fünf Stunden unterwegs. Am späten Nachmittag kamen wir wieder zuhause auf Lidingö an.

Auf der neuen „Lilla Lidingöbron“, die vor wenigen Wochen eröffnet wurde: die neue Rad/Fussgängerbrücke zwischen Lidingö und Stockholm.

Und falls irgendwelche Zweifel bestehen: Meine Rad-App weiß ganz genau, wieviel wir uns bewegt haben, und welche Strecke wir gefahren sind. Jetzt ist nur noch die Frage, wann wir die nächste Radtour durch Stockholm machen. Wenn das Wetter weiter so mild bleibt, hoffentlich bald!

Die App, die mein Rad vor allem gegen Diebstahl schützen soll, verfolgt alle Routen, die ich fahre.

Teenager-Entertainment

30.09.2022 – Für Eltern ist es nicht immer einfach, Teenies noch zu gemeinsamen Ausflügen zu motivieren. Was bei uns immer geht: mit asiatischem Essen locken. Neulich waren wir zuerst beim „Ghost walk“ in der Altstadt von Stockholm (den wir nicht toll fanden) und anschließend bei „Nara de“ vietnamesisch essen (was wir wärmstens weiterempfehlen).

Stadtführung aus dem „Umzugskalender“

Der „Ghost walk“ war ein Gutschein, der noch aus dem „Umzugskalender“ stammte, den ich vor unserem Umzug nach Schweden für die Kinder gemacht hatte: eine Art Adventskalender um den Aufbruch und die Ankunft herum, der den Abschied leichter und das Ankommen schöner machen sollte. Da wir im Sommer 2020 mitten in der Pandemie umgezogen sind, konnten wir manches davon noch nicht machen. So auch diese „gruselige“ Stadtführung durch Gamla Stan, die Altstadt von Stockholm. Deshalb habe ich sie erst neulich für einen Samstag abend gebucht.

Die SMS machte keinen guten Eindruck

Etwas befremdlich war die SMS, die wir kurz vor dem Termin bekamen. Da habe ich erste Zweifel bekommen, ob es wohl gut werden würde. Zusammengefasst stand drin, dass man Pech habe, wenn man zu spät komme – niemand würde auf einen warten. Auch kein Angebot, dass man sich dann irgendwo melden könnte oder so, um den Anschluss noch zu bekommen. Das finde ich bei einem Preis von rund 70 Euro für drei Personen schon nicht sehr nett. Prompt wären wir fast zu spät gekommen – und das war absolut nicht unsere Schuld: Wir sind rechtzeitig losgefahren, wussten aber nicht, dass man ausgerechnet an diesem Abend nicht mit dem Auto auf die Insel fahren konnte, weil irgendein Lauf-Event stattfand. Also mussten wir relativ weit weg parken und hinlaufen. Wir haben es nur gerade so noch im letzten Moment geschafft… Ich hatte sogar extra – auf gut Glück – noch an diesen SMS-Absender geantwortet und Bescheid gesagt, was los war: keine Reaktion. Stunden später kam dann mal eine Antwort: sorry, sie seien alle unterwegs bei den Touren gewesen…

Der Stadtführer war schlecht zu verstehen

Tja, also ja, wir kamen gerade noch pünktlich, bevor der Stadtführer losstürmte (übrigens lag der Startpunkt an einem anderen Ort als das Büro des Veranstalters, das direkt neben der Deutschen Kirche liegt – auch darauf muss man sehr achten, das überhaupt mitzukriegen). Dieser Stadtführer legte dann ein Tempo vor, das die Gruppe von ungefähr 40 Personen in einen ziemlich langen Zug von Menschen verwandelte. Er wartete auch nicht immer darauf, dass alle da waren, bevor er anfing, etwas zu erzählen. Ob es daran oder an seinem starken schottischen Akzent lag (die Führung war auf Englisch)… Jedenfalls haben wir wirklich schlecht verstanden, wovon seine Geschichten handelten. Was natürlich sehr schade ist, denn darum geht es ja bei so einer Art von Stadtführung. Es hat mich ziemlich enttäuscht. Denn mein Englisch ist ziemlich gut, meine Teenies verstehen es auch prima. Aber dieser Typ…?

Schmale Gasse, kleiner Junge

Der Eisenjunge (Järnpojke) heißt eigentlich

Die Tour war das Übliche, was man in Gamla Stan sonst auch zu sehen bekommt: die schmalste Gasse Marten Trotzig Gränd, die an ihrer engsten Stelle nur ca. 90cm misst z.B., oder Järnpojke, eine nur 15cm „große“ Skulptur im Innenhof der finnischen Kirche, die Glück bringen soll, wenn man ihr über den Kopf streicht und ihr etwas spendet (im Winter stricken manche Leute ihr Schals und Mützen!).

Mein kläglicher Versuch, die schmalste Gasse der Altstadt fotografisch festzuhalten, während ich im Schweinsgalopp durchgeführt wurde…

Zeit zum Fotografieren gab es allerdings an den wenigsten Stellen, wo es sich gelohnt hätte. Sehr oft kam es mir vor, als würden wir auch an dem Lauf teilnehmen, der uns die Zufahrt zur Insel vermasselt hatte…

Und so richtig hat sich mir auch nicht erschlossen, was gruselig sein sollte. Eine abstruse Geschichte über einen Puffbesitzer, der im Keller seines Etablissements nach einem Schatz graben ließ, habe ich nur zu Bruchteilen verstanden. Irgendwie sind die Schatzgräber irgendwann verschwunden und nicht mehr auffindbar gewesen. Um die Pest ging es auch natürlich irgendwann – die war ja überall in Europa präsent im Mittelalter. Aber sonst? Wahrscheinlich ist es mir alles entgangen, weil ich den Schotten so schlecht verstanden habe. Einen roten Faden von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten habe ich definitiv nicht feststellen können.

Typisch Stockholmer Regenguss

Das Wasser schoss nur so aus den Regenrinnen heraus…

Kurz vor Schluss fing es dann noch jessesmäßig an zu gießen: Ein Wolkenbruch, wie ich das wirklich nur aus Stockholm kenne. Sehr plötzlich, sehr viel, sehr nass. Meine Töchter und ich hatten Glück und standen gerade in der Nähe eines Hauseingangs, wo wir uns unterstellen konnten. Dort beschlossen wir dann auch, uns nun vorzeitig vom „Ghost walk“ abzuseilen und zu einem vietnamesischen Restaurant zu laufen, das eine meiner Töchter für uns ausgesucht hatte.


K-Pop-Devotionalien an den Wänden sorgen für eine echt vietnamesische Athmosphäre (wie man sie sich als Europäer so vorstellt…).

Das „Nara de“ bietet neben vietnamesischen Köstlichkeiten und Sushi eine perfekte Kulisse für K-Pop (koreanische Popmusik)-Fans: Überall hängen Poster, Sammelkarten und weitere Devotionalien von K-Pop-Stars und -Sternchen wie BTS, Black Pink und Konsorten. Auf einem großen Flachbildschirm über der Küche laufen permanente Zusammenschnitte aus koreanischen Serien, die alle mit K-Pop unterlegt sind. Meine Töchter waren hellauf begeistert.

Frisches Essen, sehr lecker, kaum Wartezeit, freundliches Personal

Mein Essen – Pokébowl mit Lachs. Die Farben wirken im künstlichen Licht leider etwas braun. Die Qualität war hervorragend.

Das Essen war auch sehr gut: Wir hatten eine Bento-Box, die schön abwechslungsreich und frisch war und eine Poké-Bowl, dazu Kimchi, der eindeutig selbstgemacht war. Nur das Hähnchenspieße-Essen einer meiner Töchter war etwas zu klein geraten, so dass wir ein weiteres Hauptgericht nachbestellen mussten. Praktisch war, dass außer uns nur ein anderes Pärchen da war und wir deshalb nicht lange warten mussten – auch nicht bei der Nachbestellung. Vermutlich machen die Restaurants hier ihren Hauptumsatz tagsüber: Gamla Stan ist die touristischste aller Stockholmer Inseln mit dem Schloß, vielen Souvenirläden und unzähligen Kneipen, Cafés und Restaurants.

Das „Nara de“ gefiel uns aber nicht nur wegen des K-Pop-Einschlags und des wirklich guten Essens: Ganz offenbar hat man hier auch Humor:

Nur eine Art Drama ist hier erwünscht.
Das können wir bestätigen!

Deshalb werden wir ganz sicher wiederkommen. Nämlich heute. Ich muss los!

Alltag in der Krise

23. September 2022 – Die Zeit rennt gefühlt schon wieder im Sprinttempo. Seit etwas mehr als fünf Wochen sind die Sommerferien vorbei. Der Alltag hat uns wieder fest im Griff. Und Krisen gehören irgendwie mittlerweile dazu und mischen sich mit dem normalen Familienleben: Vor 12 Tagen war Wahl in Schweden – mit schlechtem Ausgang. Die Klausurpläne sind raus, bis Weihnachten schreiben die Kinder ständig irgendwelche Tests. Min svenska kurs har börjat igen. (Mein Schwedisch-Kurs hat wieder begonnen.) Morgen helfen wir beim „Lidingö-Loppet“, einem 30km-Lauf. Damit verdienen die Pfadfinder hier ihr Jahresbudget. Der erste unserer vielen Familiengeburtstage im Herbst ist bald. Aus Russland gibt es keine guten Neuigkeiten. Mitte Oktober fahre ich mit unserer Zweitältesten nach Hamburg. Vier Wochen lang soll sie dort eine Behandlung bekommen, die hoffentlich ihre Long-Covid-Beschwerden (Kopfweh, Müdigkeit, Konzentrationsprobleme) lindert.

Alles normal – zu normal?

Also alles ganz normal in diesen Zeiten. Immer wieder fallen mir zwischendurch Themen ein, über die ich gern schreiben würde. Aber ich komme im Alltag nicht dazu. Und wenn ich mich dann hinsetze, so wie jetzt, fallen mir diese Einzelthemen nicht mehr ein, und ich habe das Gefühl, ich muss einen „Rundumschlag“ machen, damit alle zu ihrem Recht kommen. Erst wenn ich dann die Fotos zur Bebilderung durchgehe, sehe ich: Ach, da haben wir ja noch den netten Ausflug gemacht! Da waren wir in jenem Restaurant! Denn das machen wir auch – zwischen und trotz der Krisen. Aber es geht ja bei diesem Blog auch bloß darum, nicht alles zu vergessen und wenigstens ab und zu mal ein wenig innezuhalten und aufzuschreiben, wie es uns so allen geht, was uns beschäftigt und umtreibt. Eine redaktionell stimmige Agenda hab ich aufgegeben.

Erste Krise: Klausurplan

Bei der Ältesten war die erste interne Krise der Klausurplan fürs erste Halbjahr. Für jemanden, der wirklich Prüfungsangst hat, ist das Stress pur. Das ganze Abijahr. Aber sie hat im letzten Jahr ein paar Strategien entwickelt, um damit umzugehen (Zwischenziele setzen, visualisieren und abhaken, was man schon geschafft hat uÄm). Ich hoffe sehr, dass ihr die jetzt auch helfen werden. Jedenfalls scheint sie sich erstmal – hoffentlich – wieder gefangen zu haben (sie sagt einem das ja auch nicht mehr so deutlich).

Studentenmützen

Außerdem gibt es auch schönere Schatten, die das Abi vorauswirft: Das Motto-Foto mit allen 12ern für den Jahresbericht und die Anprobe der „studentmössor“ („Studentenmützen“, die man hier zum Schulabschluss trägt; hier eine kleine Übersicht über alle Traditionen, die es rund um „studenten“/den Schulabschluss so gibt in Schweden). Bei diesen Gelegenheiten hatte die Älteste sichtlich Spaß.

Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass es sich um Glitzerstoff bei dieser „studentmössa“ handelt…

Trillerpfeife als Luxus-Zubehör

Diese Mützen und weiteren Traditionen sind übrigens eine Industrie hier. Und es gibt natürlich verschiedene Anbieter dieser Memorabilia. Ich hätte wirklich nicht für möglich gehalten, WIEviele Details man an einer einzigen Mütze personalisieren (und bezahlen!!!) kann: Stoff außen, Futter innen, Aufschrift außen, Inschrift innen, Inschrift unterm Schirm, Streifen am Schirm, Kokarden-Ring, Kokarden-Stein… you name it! Kostet dann zwischen 150 und 190 Euro im Paket mit einem Sektglas, einer Hutschachtel, eventuell noch einer Trillerpfeife (nur Teil des Gold-Pakets) und weiterem unverzichtbarem Zubehör… völlig irre aus meiner deutschen Mutter-Perspektive, aber wohl unumgänglich hier.

Die Qual der Wahl…

Auch auf die Jahrgangsfahrt in ihre Heimatstadt Berlin direkt vor den Herbstferien im Oktober freut sich unsere Älteste schon sehr. Danach werden die Highlights allerdings weniger – mal sehen, wie sie das durchstehen wird. Ich vermute, es kommt dann noch die ein oder andere Krise.

Männliche Krise

Auch der Mann hatte schon eine erste Sinnkrise im Herbst: Die schwedischen Wahlen sind alles andere als erfreulich ausgegangen. Zwar blieben die Sozialdemokraten die stärkste Partei (30.3 %). Aber das konservative Lager gewann um Haaresbreite – und zwar mit den „Schwedendemokraten“ als zweitstärkster Kraft (20.5%). Die Schwedendemokraten sind Rechtspopulisten, die ursprünglich aus der Neonazi-Bewegung hervorgegangen sind.

Wahlanalyse im „Guardian“

Eine interessante Analyse dieser Wahl ist im „Guardian“ zu lesen; verfasst wurde sie von Gina Gustavson, einer Dozentin an der Universität Uppsala. Die Aussagen, die mich am meisten erschreckt haben: „Fresh data from political scientists Sten Widmalm and Thomas Persson also suggests that 20% of Swedes would be willing to deny freedom of expression to the least-liked group in society. A third would be keen to withdraw the right to demonstrate and to organise politically. In their study, the least-liked groups of all were the Sweden Democrats, anti-vaxxers and opponents of abortion.“ – Ein ziemlich problematisches Verständnis von Demokratie, finde ich. Und nun darf eine dieser unbeliebtesten Gruppen also das Land mitregieren… Wie konnte das passieren?!

Die „Liberalen“ erhielten nur 4.6% der Stimmen und sind damit gerade so noch im Reichstag gelandet.

Die intoleranten Schweden

Vielleicht hängt das mit einer anderen Erkenntnis eines Ethnologen zusammen, die auch in dem Text erwähnt wird: „Back in the 1980s, the ethnologist Åke Daun argued that the average Swede was extremely conformist and consensus oriented. He found that in neighbouring Scandinavian countries, 4-6% of people disliked the company of those whose ideas and values they did not themselves share. But in Sweden the figure was 45%. Since then, the main representatives of such “dreaded” difference – immigrants and their descendants – have come to constitute a quarter of the population.“ Die Schweden sind also bei weitem nicht so tolerant wie wir das in Deutschland über sie zu wissen glauben. Ein höherer Frauenanteil im Parlament heißt hier eben nur, dass das die meisten gut finden. Wenn sich die gesellschaftliche Stimmung dreht und die meisten grüne Aliens besser finden, dann sind die Frauen ganz schnell draußen. So verstehe ich das…

Vielleicht doch mal was Neues wagen?

Jetzt haben sie jedenfalls erstmal eine Horde Schwedendemokraten dort, mit denen sie fertig werden müssen. Vielleicht sollten die Schweden sich doch mal dazu durchringen, es mit einer großen Koalition zu versuchen? Das ist zwar auch keine Traumvorstellung, aber besser als das, was es hier jetzt gibt… Ein Bündnis zwischen dem linken und dem rechten Lager sei jedoch schlechterdings undenkbar hier, wurde uns gesagt. Hm.

Einzelne alte Krisen-Verursacher

Jetzt bin ich ungewollt in eine Krisen-Geschichte gerutscht. Das passt aber ja ganz gut zur Weltlage. Leider. Es ist schon ziemlich unglaublich, wie schnell sich in den letzten zwei Jahren so viele Krisen entwickelt haben, dass sie nicht nur unsere Familie zu überwältigen drohen. Und es macht mich so unglaublich wütend, dass es immer wieder einzelne alte Männer (natürlich mit anderen alten Männern und leider auch ein paar Frauen im Hintergrund) sind, die solches Unheil anrichten! Da regen sich ein paar Idioten über die finnische Ministerpräsidentin auf, weil sie tanzen geht. Aber diese Despoten – ob dies oder jenseits des Atlantik – können die ganze Welt zugrunde richten?! Zum Kotzen.

Krisen contra Alltag: Wäsche und Pizzateig

So, jetzt ist meine Schreibzeit um, und ich kriege wahrscheinlich auch nicht mehr die Kurve mehr Optimismus und heitideiti. Die Wäsche wartet, der Pizzateig muss gemacht werden. Also zurück zum Alltag und den Niederungen des Haushalts…

Naturreservat Gålö – eine kleine Wanderung

4. September 2022 – Eine Dreiviertelstunde von uns entfernt, liegt das Naturreservat Gålö (ziemlich in der Nähe von Björnö, wo wir auch schon gelaufen sind). Dort kann man sehr schön für zwei Stunden um eine kleine Halbinsel wandern (4.5 km). Oder campen bzw. glampen. Baden geht natürlich auch im Sommer: am längsten Sandstrand des Stockholmer Schärengartens oder in einer der kleinen Buchten um die Halbinsel herum.

Tiefblaues Wasser und warme Felsen, von denen aus man ins Meer hüpfen kann – zumindest im Sommer.

Heute war es schon herbstlich kühl (16 Grad Maximaltemperatur, nachts nur noch einstellig, ca. 6 Grad). Da hat nur noch der Hund gebadet. Aber genossen habe ich die Runde am Meer entlang trotzdem sehr: Der Rundweg um die Halbinsel geht am Parkplatz des „Skälåkers Båtsklubb“ (kostenpflichtig) los und ist mit blauen und roten Punkten gut markiert. Nur am Schluss habe ich irgendwann die Markierung verloren, aber da waren wir fast schon wieder am Ausgangspunkt zurück. Mit einem Blick auf Google Maps und einem der vielen Trampelpfade folgend sind wir problemlos wieder am Parkplatz gelandet.

Diese Strecke im Naturreservat Gålö sind wir heute gelaufen.

Gute Schuhe, Sonnenschutz und Trinkwasser braucht man

Die Strecke wird zwar auch in einem Wanderführer für Familien mit Kindern empfohlen, aber man sollte schon gut zu Fuss sein, um sie zu bewältigen: Die Wege sind nicht plan, es gibt sehr viele Wurzeln und Felsen, einige querliegende Baumstämme über dem Weg, zum Teil ist das Gelände auch sehr steil. Gute Wanderschuhe sind auf jeden Fall hilfreich, genügend Trinkwasser und Sonnenschutz sollte man an warmen Tagen auch dabei haben.

An der steilsten Stelle hilft ein Seil, den Berg raufzukommen.

Unterwegs gibt es – wie überall in Schweden – mehrere angelegte Grillplätze mit phantastischer Aussicht in die Schären. Viele Segelboote gleiten pittoresk vorbei – manche nervigen Motorboote mit lauten Motoren ab und zu auch. Aber alles in allem ist es sehr friedlich und schön. Und wenn ein Platz schon besetzt ist, lässt man sich eben ein paar Meter weiter nieder.

Grillstelle mit kleinem Sandstrand nebenan. Davon gibt es mehrere am Wegesrand.

Grillen oder im Bistro des Campingplatzes einkehren

Wer keine Grillsachen mitschleppen möchte, kann am Ende der Wanderung in das kleine Bistro des Campingplatzes einkehren. Das liegt ein paar hundert Meter vom Parkplatz des Bootsvereins entfernt neben der Rezeption (Öffnungszeiten vorher auf der Homepage checken!). Hier bekommt man einen Teller Pommes für rund sechs Euro (59 Kronen), die üblichen Hamburger oder einen Falafelteller mit Humus für etwas über 10 Euro (ca. 125 Kronen). Kaffee, Eis, bulle (Zimtwecken), smörgås (Sandwich) und kalte Getränke sind natürlich auch erhältlich.

Im Bistro gibt es nach dem Wandern kleine Stärkungen. Alle Fotos: privat.

Die Idee, diese Wanderung zu machen, hatte ich in dem Buch „Barnfamiljens friluftsguide till Stockholm“ (s. Foto unten) gefunden. Wer etwas schwedisch kann, sollte sich diese Reihe genauer ansehen: Es gibt eine riesige Auswahl an Wanderführern für ganz Schweden. Auch Kajak-, Kletter- , Ski- und Radtouren sowie Kochen über offenem Feuer und ein Erste-Hilfe-Buch für outdoor-Abenteurer werden angeboten. Auf deutsch ist nur eines der Bücher erschienen – über die „Höga Kusten“. Auf englisch gibt es das auch und zusätzlich noch eins über den „Skåneleden“, einen 200km langen Wanderweg im Süden Schwedens.